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Eine Unheilvolle Liebe

Eine Unheilvolle Liebe

Titel: Eine Unheilvolle Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kami Garcia
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Augenblick lang hoffte ich, jemand hätte die Zeit drei Monate zurückgedreht und heute sei ein Tag wie jeder andere. Aber Lena hatte auch eine von Macons Nadelstreifenwesten an, und das bewies, dass es nicht so war. Mit Macons Tod hatte sich Ravenwood verändert. Es war, als ginge man in die Stadtbibliothek von Gatlin, und Marian, die einzige Bibliothekarin, war nicht da. Oder zur Frauenvereinigung TAR ohne die wichtigste aller »Töchter der Amerikanischen Revolution«, Mrs Lincoln. Oder in das Arbeitszimmer meiner Eltern ohne meine Mutter.
    Jedes Mal wenn ich nach Ravenwood kam, wirkte das große Gebäude baufälliger als zuvor. Wenn man die Allee von Trauerweiden sah, fragte man sich verwundert, wie es sein konnte, dass der Garten so schnell verwilderte. Blumen, die ich als kleiner Junge zu Hause gewissenhaft hatte jäten müssen, weil Amma sie für Unkraut hielt, machten sich gegenseitig den Platz in der verdorrten Erde streitig. Unter den Magnolien wuchsen Hyazinthen und Hibiskus wild durcheinander und die Vanilleblume wucherte zwischen Vergissmeinnicht. Es war, als ob der Garten trauerte. Was vielleicht sogar stimmte. Ravenwood Manor hatte schon immer eine eigene Seele gehabt. Warum also nicht auch der Garten. Und auch Lenas Kummer trug wahrscheinlich dazu bei. Das Haus war ein Spiegel ihres Gemüts, wie es das auch schon bei Macon gewesen war.
    Nach seinem Tod hatte Lena das Haus geerbt, und manchmal fragte ich mich, ob das wirklich so gut war. Das Haus sah mit jedem Tag trostloser aus. Immer wenn ich die Anhöhe hinauffuhr, hielt ich erwartungsvoll den Atem an und suchte nach einer Spur von Leben, nach etwas Neuem, etwas Frischem. Aber jedes Mal wenn ich oben angekommen war, sah ich nur noch mehr blinde Fenster.
    Lena stieg in den Volvo und beschwerte sich prompt. »Ich will nicht in die Schule gehen.«
    »Wer will schon in die Schule gehen?«
    »Du weißt, was ich meine. In der Schule ist es schrecklich. Lieber bleibe ich hier und lerne den ganzen Tag lang Latein.«
    Es würde nicht leicht werden. Wie sollte ich sie davon überzeugen, irgendwohin zu gehen, wo ich selbst nicht hinwollte? Die Highschool war ätzend. Das war einfach so, und jeder, der behauptet, die Highschool-Jahre seien die schönste Zeit des Lebens, ist entweder betrunken oder wahnsinnig. Ich entschloss mich, es mit umgekehrter Psychologie zu versuchen.
    »Klar. Nicht umsonst heißt es, die Highschool-Jahre sind die schlimmsten deines Lebens.«
    »Tatsächlich?«
    »Ganz bestimmt. Und deshalb musst du auch wieder in die Schule kommen.«
    »Und warum, bitte schön, sollte es mir dann besser gehen?«
    »Keine Ahnung. Vielleicht weil diese Zeit so schlimm ist, dass dir der Rest deines Lebens im Vergleich dazu himmlisch erscheinen wird?«
    »Wenn deine Logik stimmt, dann müsste ich den ganzen Tag mit Direktor Harper verbringen.«
    »Oder vielleicht zur Cheerleader-Truppe gehen.«
    Sie spielte mit ihrer Kette und ihre einzigartige Sammlung von Glücksbringern klimperte. »Klingt verlockend.« Sie lächelte, fast war es sogar ein Lachen. Ich hatte sie rumgekriegt.
    Lena lehnte sich während der ganzen Fahrt an mich. Aber als wir auf dem Parkplatz angekommen waren, brachte sie es nicht über sich auszusteigen. Ich wartete ab und ließ den Motor laufen.
    Savannah Snow, die ungekrönte Königin der Jackson High, ging an uns vorbei und zupfte ihr eng anliegendes T-Shirt zurecht. Emily Asher, ihre getreue Adjutantin, folgte ihr auf den Fersen. Während sie sich zwischen den geparkten Autos hindurchschlängelte, tippte sie hastig eine SMS . Als sie uns bemerkte, packte sie Savannah am Arm. Die beiden blieben stehen, so wie es alle gut erzogenen Mädchen in Gatlin gemacht hätten, die jemanden trafen, dessen Angehöriger vor Kurzem verstorben war. Savannah presste ihre Bücher an die Brust und nickte uns traurig zu. Es war wie in einem alten Stummfilm.
    Dein Onkel ist jetzt an einem schöneren Ort, Lena. Er steht oben an der Himmelspforte, wo ihn ein Engelschor zu seinem Schöpfer führt, der ihn liebt, übersetzte ich für Lena diese Geste, aber sie wusste bereits, was sie dachten.
    Hör auf damit!
    Lena hielt sich ihren zerfledderten Notizblock vors Gesicht, vermutlich hätte sie sich am liebsten verkrochen. Emily hob die Hand und winkte zaghaft. Sie trat uns nicht zu nahe, vermittelte aber auf diese Weise, dass sie nicht nur wusste, was sich gehörte, sondern dass sie auch mitfühlend war. Man musste nicht Gedanken lesen können, um zu wissen, was

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