Eine Unheilvolle Liebe
eigenen Besten war. Wir streckten uns im Gras aus, und ich versuchte, wieder zu Atem zu kommen.
Geht’s dir gut?
Ja … ja, mir geht’s gut .
Das stimmte zwar nicht, aber ich wollte es nicht zugeben. Es roch irgendwie verbrannt, aber es dauerte einen Moment, bis ich merkte, dass es von der Decke kam. Sie schwelte an der Unterseite.
Lena sprang auf und zog die Decke weg. Das Gras darunter war verkohlt und platt gedrückt. »Ethan, sieh dir das an!«
»Was … ist los?« Ich versuchte, mir nicht anmerken zu lassen, dass ich immer noch nach Atem rang. Seit Lenas Geburtstag war alles schlimmer geworden, auch physisch. Ich konnte die Finger nicht von ihr lassen, obwohl es manchmal so wehtat, dass es fast nicht auszuhalten war.
»Das Gras ist verbrannt.«
»Das ist total unheimlich.«
Sie sah mich an mit ihren unglaublichen Augen, die dunkel und hell zugleich waren, dann riss sie frustriert ein Grasbüschel aus. »Das war ich.«
»Tja, du bist eben ganz schön heiß.«
»Mach jetzt keine Witze. Es wird immer schlimmer, merkst du das nicht?« Wir saßen nebeneinander und betrachteten das, was von Greenbrier übrig geblieben war. Das, was das andere Feuer angerichtet hatte. »Genau wie bei meiner Mutter«, sagte Lena. Sie klang bitter.
Feuer war das ureigene Element eines Kataklysten. Und genau das war ihre Mutter, sie war eine Vernichterin. Ihr Feuer hatte in der Nacht von Lenas Geburtstag jeden Zentimeter dieses Geländes verwüstet. Und nun entfachte auch Lena Feuer, ohne dass sie es wollte.
Mein Magen krampfte sich zusammen, aber ich sagte: »Keine Sorge, das Gras wächst wieder nach.«
»Und wenn ich nicht will, dass es wächst?«, fragte Lena leise und in einem merkwürdigen Ton. Sie ließ eine Handvoll verbrannter Grashalme durch die Finger rieseln.
»Was soll das heißen?«
»Wieso sollte es wieder wachsen?«
»Weil das Leben weitergeht, L. Die Vögel summen, die Bienen machen, was sie schon immer gemacht haben. Neuer Samen geht auf und alles beginnt, wieder zu wachsen.«
»Und dann verbrennt alles wieder. Jedenfalls da, wo ich meinen Fuß hinsetze.«
»Schon möglich.« Es hatte keinen Sinn, mit Lena zu streiten, wenn sie in dieser Stimmung war. Das kannte ich von Amma und ihren Gemütsanwandlungen. Meine Mutter hatte es immer »ins Dunkle reisen« genannt.
Lena zog die Knie an und stützte ihr Kinn darauf. Ihr Schatten war viel größer als sie selbst.
»Aber ich bin trotzdem glücklich.« Ich stellte meine Beine so, dass die Sonne darauf schien und mein Schatten mit ihrem verschmolz.
So saßen wir, Seite an Seite, nur unsere Schatten berührten sich, wurden länger und länger, streckten sich zu den rußigen Bäumen, bis uns schließlich die Abenddämmerung einhüllte. Schweigend hörten wir dem Zirpen der Grillen zu und versuchten, an nichts zu denken. Irgendwann setzte wieder Regen ein.
Absturz
1.5.
In den darauffolgenden drei Wochen gelang es mir genau drei Mal, Lena aus dem Haus zu locken. Einmal gingen wir mit Link, meinem besten Freund seit Kindergartenzeiten, ins Kino. Aber nicht einmal die Riesenportion Popcorn mit Karamell, von dem sie sonst nicht genug kriegen konnte, hob Lenas Stimmung. Beim zweiten Mal waren wir bei mir zu Hause, futterten Ammas Sirupplätzchen und zogen uns einen Zombiefilm nach dem anderen rein, für mich der absolute Traum eines gemütlichen Abends – nur diesmal nicht. Und beim dritten Mal machten wir einen Spaziergang am Fluss, drehten allerdings nach zehn Minuten wieder um, weil wir jeder ungefähr sechzig Insektenstiche abbekommen hatten. Egal wo sie war, sie wollte dort nicht sein.
Aber heute war es anders. Endlich hatte sie einen Platz gefunden, an dem sie sich wohlfühlte, auch wenn es der letzte Ort war, an den ich gedacht hätte.
Ich betrat ihr Zimmer und fand sie flach an die Zimmerdecke gepresst, die Arme weit ausgestreckt, das Haar wie ein schwarzer Fächer um den Kopf gebreitet.
»Seit wann kannst du das?« Ich hatte mich inzwischen an Lenas Fähigkeiten gewöhnt, aber seit ihrem sechzehnten Geburtstag wurden sie immer abgedrehter. Sie schien sich mehr und mehr in ihre Rolle hineinzufinden. Mit jedem Tag wurde Lena, das Caster-Mädchen, unberechenbarer; je häufiger sie erprobte, wie weit ihre Kräfte reichten.
Sie reichten für jede Menge Scherereien, so viel stand fest.
Wie an dem Tag, als Link und ich mit seiner alten Schrottkiste in die Schule fuhren und plötzlich im Autoradio einer seiner Songs gespielt wurde. Link war so
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