Eine Unheilvolle Liebe
blondes Haar hing schlaff herab wie an einer leblosen Puppe.
Sarafines geisterhafte Gestalt nahm Besitz von ihrem Körper. Ridley fing an, gelb zu leuchten – ihre Haut, ihre Haare, ihre Augen. Die Augen leuchteten so hell, dass sie gar keine Pupillen mehr zu haben schienen. Ich schützte meine Augen mit der Hand, um von dem grellen Licht nicht geblendet zu werden. Ridley warf den Kopf zurück, ruckartig wie eine Marionette, und begann zu sprechen.
»Meine Macht wächst, und bald wird der Siebzehnte Mond über uns stehen, den ich vor der Zeit gerufen habe, so wie nur eine Mutter es zu tun vermag. Ich entscheide, wann die Sonne untergeht, und für mein Kind habe ich die Sterne aus ihrer Bahn gelenkt. Sie wird sich selbst berufen und mir nachfolgen. Nur meine Tochter hat es vermocht, den Sechzehnten Mond abzuwenden, und nur ich vermag es, den Siebzehnten heraufzubeschwören. Weder in dieser noch in jener Welt gibt es jemanden, der uns gleicht. Wir sind der Anfang und das Ende.«
Nach diesen Worten fiel Ridley wie ein leerer Sack zu Boden.
Das Bogenlicht brannte in meiner Tasche. Ich konnte nur hoffen, dass Sarafine es nicht bemerkte. Ich musste daran denken, wie die Kugel geflackert hatte – das Bogenlicht hatte mich warnen wollen, aber ich hatte es nicht verstanden.
»Du bist uns in den Rücken gefallen, Ridley. Du bist eine Verräterin. Unser aller Vater ist nicht so nachsichtig wie ich.« Unser aller Vater. Sarafine konnte nur einen meinen – den Stammvater aller Blut-Inkubi von Ravenwood, mit dem alles begonnen hatte. Abraham.
Sarafines Stimme übertönte das Zischen der Flammen. »Über dich wird das Urteil gesprochen werden, aber dieses Vergnügen überlasse ich ihm. Ich war für dich verantwortlich, aber du hast nichts als Schande über mich gebracht. Ich glaube, es ist nur recht und billig, dass ich dir zum Abschied ein Geschenk hinterlasse.« Sie streckte die Arme hoch über den Kopf. »Da du so begierig bist, diesen Sterblichen zu helfen, sollst du von diesem Augenblick an selbst als Sterbliche leben und als Sterbliche sterben. Deine Macht kehre zurück in das Dunkle Feuer, dem sie entstammt.«
Ridley bäumte sich auf. Ihr Schmerzensschrei gellte durch den Wald. Dann war alles vorbei. Die umgestürzten Bäume, das Feuer, Sarafine – nichts war mehr da. Der Wald war wieder so, wie er zuvor gewesen war: grün und düster. Kiefern und Eichen dicht an dicht auf schwarzer Erde. Jeder Baum, jeder Ast war wieder an seinem Platz, als wäre nichts geschehen.
Liv flößte Ridley aus einer Plastikflasche Wasser ein. Ihr Gesicht war schmutzig und blutverschmiert, aber bis auf die Stirnwunde schien sie unverletzt zu sein. Ridley dagegen war totenbleich.
»Das war ein unglaublich mächtiger Zauber. Eine Geisterscheinung, die sich eines Dunklen Casters bemächtigen kann.« Liv schüttelte den Kopf. Ich berührte die blutende Stelle über ihrem Auge und sie zuckte zusammen. »Und sie hatte noch dazu die Macht, Ridleys Kräfte versiegen zu lassen. Vorausgesetzt es stimmt, was sie sagte.«
Ich sah Ridley zweifelnd an. Eine Ridley ohne die Gabe der Überredung konnte ich mir nur schwer vorstellen.
»Wie dem auch sei, Ridley wird es eine Zeit lang nicht gut gehen.« Liv tränkte den Saum ihres Sweatshirtärmels mit Wasser und wischte Ridley übers Gesicht. »Ich hatte ja keine Ahnung, was für ein Risiko sie eingegangen ist, als sie uns zu Hilfe kam. Sie muss euch alle sehr gernhaben.«
»Nicht alle«, erwiderte ich und half Liv, Ridley zu stützen. Ridley spuckte hustend das Wasser wieder aus. Sie fuhr sich mit der Hand über den Mund und verschmierte dabei ihren roten Lippenstift. Sie sah aus wie ein Cheerleader, den man bei einem Schulfest einmal zu viel unter Wasser getaucht hat.
»Link«, sagte sie heiser. »Ist er …?«
Ich ließ Ridley los und kniete mich neben ihn. Der umgestürzte Baumstumpf war weg, aber Link stöhnte vor Schmerzen. Es war seltsam unwirklich, dass er sich verletzt hatte, dass sich überhaupt jemand von uns verletzt hatte, denn nirgends war mehr eine Spur von dem, was gerade geschehen war, zu sehen – kein einziger umgestürzter Baum, kein einziger Zweig, der nicht an seinem Platz gewesen wäre. Aber Links Arm war blutunterlaufen und doppelt so dick wie sonst und seine Hose war zerrissen.
»Ridley?« Link schlug die Augen auf.
»Ihr ist nichts passiert. Uns allen ist nichts passiert.« Ich riss seine Hose noch ein Stückchen weiter auf. Sein Knie blutete.
Link versuchte zu
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