Eine Unheilvolle Liebe
Arme vor der Brust verschränkt, Ridley hielt den Lolli in der erhobenen Hand. »Reg dich ab, Poppins. Streichholz und ich sind Freunde.«
»Den Eindruck hatte ich nicht.« Livs Stimme wurde lauter. »Vergiss nicht, wir sind diejenigen, die unser Leben aufs Spiel setzen, um Lena zu retten.« Über die Gesichter der beiden Mädchen zuckten wechselnde Farben; das Bogenlicht spielte verrückt und beleuchtete die Bäume bunt.
»Mach dir nicht in die Hosen, Kleine«, sagte Ridley kalt.
Livs Augen waren dunkel. »Sei nicht dumm. Wenn Lena Ethan nichts bedeuten würde, aus welchem Grund sollten wir dann mitten in diesem gottverdammten Wald sein?«
»Gute Frage, Hüterin. Ich weiß, warum ich hier bin. Aber wenn du es tatsächlich nicht auf den Boyfriend abgesehen hast, was treibt dich dann hierher?« Ridley hatte sich dicht vor Liv aufgebaut, die jedoch keinen Schritt zurückwich.
»Du fragst, was ich hier mache? Der Südstern ist verschwunden, eine Kataklystin beruft an der sagenumwobenen Weltenschranke den Mond vor seiner Zeit, und du fragst, was ich hier mache? Bist du noch ganz bei Trost?«
»Es hat also nichts mit unserem Boyfriend zu tun?«
»Ethan, der niemandes Boyfriend ist, weiß nichts von der Welt der Caster«, erwiderte Liv stur. »Aber er steckt bis zum Hals in der Sache drin. Er braucht eine Hüterin.«
»Genau genommen bist du noch ein Lehrling. Dich um Hilfe zu bitten, ist, als ob man eine Krankenschwester bitten würde, jemanden am offenen Herzen zu operieren. Außerdem darfst du dich nicht einmischen. Ich finde, du bist keine besonders gute Hüterin.« Ridley hatte recht. Es gab eherne Gesetze, und Liv war gerade dabei, diese Gesetze zu brechen.
»Mag sein, aber ich bin eine sehr gute Astronomin. Ohne meine Kenntnisse könnten wir diese Tunnel-Karte nicht lesen und würden weder die Weltenschranke noch Lena finden.«
Das Bogenlicht in meiner Hand erkaltete, inzwischen war es wieder pechschwarz.
»War was?« Link kam aus dem Gebüsch und zog den Reißverschluss hoch. Während ich mich mühsam wieder aufrappelte, standen die beiden Mädchen nur da und sahen ihn wortlos an. »Ach verdammt, immer verpasse ich das Beste.«
»Was zum Teufel …« Liv tippte auf ihr Selenometer. »Irgendetwas stimmt hier nicht. Die Zeiger spielen plötzlich verrückt.«
Zwischen den Bäumen hörte man ein berstendes Geräusch. Hatte Hunting uns eingeholt? Dann kam mir ein ganz anderer Gedanke, der aber kaum weniger beunruhigend war.
Vielleicht war es jemand, der nicht wollte, dass wir ihm folgten. Jemand, der Macht über die Dinge in der natürlichen Welt hatte.
»Lauft!«
Das Krachen wurde lauter. Mit einem Mal knickten die Bäume rechts und links von mir um. Ich ging in Deckung. Das letzte Mal, als Bäume um mich herum umgestürzt waren, hatte es sich auch nicht um Zufall gehandelt.
Lena! Bist du es ?
Nicht weit von uns entfernt wurden wie von Geisterhand große moosbewachsene Eichen und Kiefern mitsamt den Wurzeln aus dem Boden gerissen und umgekippt.
Lena, tu das nicht!
Link taumelte auf Ridley zu. »Pack einen deiner Lutscher aus, Baby.«
»Ich hab dir gesagt, du sollst mich nicht Baby nennen.«
Zum ersten Mal seit Stunden sah ich den Himmel wieder. Aber jetzt war er dunkel. Schwarze Wolken aus Caster-Magie hatten sich über uns zusammengeballt. Plötzlich spürte ich etwas, das von weit, weit her kam.
Eigentlich hörte ich es.
Lena.
Ethan, lauf!
Es war ihre Stimme, die Stimme, die so lange geschwiegen hatte. Aber wenn Lena mich aufforderte, wegzulaufen, wer riss dann die Bäume aus?
L, was ist hier los ?
Ich hörte nicht mehr, ob sie antwortete.
Um uns herum verdunkelte es sich, die Caster-Wolken rasten auf uns zu, als wollten sie uns jagen. Erst da kapierte ich, was die Wolken tatsächlich waren.
»Weg hier!« Im allerletzten Moment zerrte ich Liv beiseite und schubste Link in Ridleys Richtung. Wir machten einen Hechtsprung ins Gebüsch, denn die entwurzelten Kiefern prasselten wie Regen auf uns herab. Dort wo wir eben noch gestanden hatten, ragte ein riesiger Berg von Ästen auf. Staub brannte in meinen Augen, ich konnte fast nichts mehr sehen und fing an zu husten.
Lenas Stimme war verklungen, dafür hörte ich ein Summen. Es war, als hätten wir einen Bienenkorb mit Tausenden von Bienen umgestoßen, die jetzt alle ihre Königin suchten.
Der Staub war so dicht, dass ich kaum etwas um mich herum erkennen konnte. Liv lag neben mir, sie blutete über einem Auge. Ridley hatte sich über Link
Weitere Kostenlose Bücher