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Eine Unheilvolle Liebe

Eine Unheilvolle Liebe

Titel: Eine Unheilvolle Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kami Garcia
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hatte. Es war so ungewohnt, sie nicht ständig irgendetwas aufschreiben zu sehen; sie kritzelte weder auf ihre Hand noch auf ihre abgetragenen Chucks, die sie ohnehin nicht mehr sehr häufig trug. Stattdessen hatte sie jetzt ihre verbeulten schwarzen Stiefel an. Und auch ihre Haare waren anders. Sie hatte sie fast immer straff zurückgebunden, als könnte sie damit auch ihre Caster-Kräfte bändigen.
    Wir saßen auf der obersten Stufe unserer Veranda, genau an der Stelle, an der mir Lena verraten hatte, dass sie eine Caster war, ein Geheimnis, das sie bis dahin keinem Sterblichen anvertraut hatte. Ich gab vor, Dr. Jekyll und Mr Hyde zu lesen, undLena starrte auf die dünnen blauen Linien ihres Notizblocks, als fände sie dort die Antwort auf alle ihre Fragen.
    Wenn ich nicht gerade Lena beobachtete, schweifte mein Blick zur Straße. Heute sollte mein Vater nach Hause kommen. Seit meine Tante ihn im Blue Horizons eingeliefert hatte, waren Amma und ich an jedem Besuchstag bei ihm gewesen. Auch wenn er immer noch nicht ganz der Alte war, benahm er sich doch zugegebenermaßen fast wieder normal. Ich war trotzdem aufgeregt.
    »Sie sind gleich da.« Die Fliegengittertür fiel hinter uns ins Schloss. Amma stand auf der Veranda. Sie trug ihre Arbeitsschürze mit den vielen Werkzeugtaschen, die sie lieber hatte als gewöhnliche Schürzen, besonders an Tagen wie heute. Unruhig rieb sie über das goldene Amulett an ihrem Hals.
    Ich schaute die Straße entlang, aber da war nur Billy Watts auf seinem Fahrrad. Lena beugte sich vor und sah in die gleiche Richtung.
    Kein Auto weit und breit .
    Ich sah auch keines, aber ich wusste, dass es in spätestens fünf Sekunden auftauchen würde. Auf ihre Fähigkeiten als Seherin war Amma besonders stolz. Sie würde nicht behaupten »Sie sind gleich da«, wenn es nicht stimmte.
    Wart’s nur ab .
    Und tatsächlich bog der weiße Cadillac meiner Tante in die Cotton Bend ein. Tante Caroline hatte das Fenster runtergekurbelt, sie nannte das 360-Grad-Klimaanlage, und ich sah sie schon von Weitem winken. Ich stand auf, da versetzte mir Amma einen Knuff mit dem Ellbogen.
    »Na komm. Dein Vater hat sich ein ordentliches Willkommen verdient.« Was nichts anderes hieß als: Reiß dich zusammen, Ethan Wate.
    Ich holte tief Luft.
    Alles okay mit dir? In Lenas Augen spiegelte sich die Sonne.
    Ja , schwindelte ich. Lena wusste es bestimmt besser, aber sie sagte nichts. Ich nahm ihre Hand. Sie war kalt, wie so oft jetzt, und der Stromschlag fühlte sich eher an wie der Stich einer Frostbeule.
    »Mitchell Wate, sag bloß, du hast Kuchen von jemand anderem gegessen. Du siehst aus, als wärst du in die Keksdose gefallen und hättest nicht mehr rausgefunden.«
    Mein Vater sah Amma mit warmem Blick an. Sie hatte ihn großgezogen, und er wusste, dass ihre Neckereien genauso liebevoll gemeint waren wie eine Umarmung.
    Ich stand daneben, während Amma um ihn herumtanzte wie um ein kleines Kind. Sie und meine Tante plapperten, als wären die drei eben gemeinsam vom Markt nach Hause gekommen. Mein Vater lächelte mir verlegen zu. Genau so hatte er immer gelächelt, wenn wir ihn im Blue Horizons besucht hatten. Es sollte heißen: Ich bin nicht mehr verrückt. Ich schäme mich nur. Er trug sein altes Duke-T-Shirt und Jeans, und irgendwie sah er jünger aus, als ich ihn in Erinnerung hatte. Nur um die Augen herum hatte er Falten, die noch tiefer wurden, als er mich fest an sich drückte und fragte: »Wie geht’s dir?«
    Einen Moment lang spürte ich einen dicken Kloß im Hals, dann räusperte ich mich und sagte: »Gut.«
    Mein Vater wandte sich Lena zu. »Schön, dich wiederzusehen, Lena. Die Sache mit deinem Onkel tut mir sehr leid.« Da waren sie wieder, die Umgangsformen, die ein Südstaatler einfach nicht verleugnen konnte. Er musste ihr sein Beileid zu Macons Tod bezeugen, selbst in einem so schwierigen Moment wie diesem.
    Lena zwang sich zu einem Lächeln, sah aber genauso verlegen aus, wie ich mich fühlte. »Danke, Sir.«
    »Ethan, komm her und begrüß deine Lieblingstante.« Tante Caroline breitete die Arme aus, und auch ich wollte, dass sie mich drückte, bis mir die Luft wegblieb.
    »Lasst uns ins Haus gehen«, sagte Amma von der Veranda aus und winkte meinen Vater zu sich. »Es gibt Coca-Cola-Kuchen und Brathähnchen. Wenn wir nicht bald reingehen, fliegt das Federvieh am Ende noch in den Hühnerstall zurück.«
    Tante Caroline hakte sich bei meinem Vater unter und führte ihn die Verandastufen hinauf.

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