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Eine Unheilvolle Liebe

Eine Unheilvolle Liebe

Titel: Eine Unheilvolle Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kami Garcia
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dir jetzt verrate, darfst du auf keinen Fall deinem Vater erzählen, versprich mir das. Denn wenn du das tust, landen wir im Heim.« Sie meinte das Altenwohnheim in Summerville – der siebte Kreis der Hölle, wenn man den Schwestern glauben durfte.
    Tante Grace nickte zustimmend.
    »Worum geht es? Ich werde meinem Vater kein Sterbenswörtchen sagen. Versprochen.«
    »Prudence Jane irrt sich.« Tante Mercy senkte ihre Stimme zu einem Flüstern. »Abraham Ravenwood ist immer noch in der Stadt, so wahr ich hier sitze.«
    »Was soll das heißen, er ist noch in der Stadt?«
    »Ich habe ihn mit eigenen Augen gesehen. Letztes Jahr war das, und ausgerechnet hinter der Kirche!« Tante Mercy wedelte sich mit einem Taschentuch Luft zu, als fürchte sie, bei dem bloßen Gedanken an Abraham ohnmächtig zu werden. »Es war nach dem Dienstagsgottesdienst, wir haben vor der Kirche auf Thelma gewartet, weil sie ein paar Häuser weiter den Bibelkreis der Methodisten geleitet hat. Wie auch immer, ich habe Harlon James aus meiner Tasche geholt, damit er sich seine kleinen Beinchen vertreten konnte – du weißt ja, Prudence Jane will immer, dass ich ihn trage. Kaum hatte ich ihn auf den Boden gesetzt, flitzte er um die Ecke.«
    »Dieser Hund weiß nie, was gut für ihn ist.« Tante Grace schüttelte den Kopf.
    Tante Mercy warf rasch einen Blick zur Tür, ehe sie fortfuhr. »Ich bin ihm natürlich hinterhergelaufen, du weißt ja, wie viel Aufhebens Prudence Jane um diesen Hund macht. Ich ging also los, und just als ich um die Ecke bog, um nach Harlon James zu rufen, da sah ich ihn. Den Geist von Abraham Ravenwood. Auf dem Friedhof hinter der Kirche. Man kann sagen, was man will, aber in einem haben diese Neumodischen von der Runden Kirche in Charleston recht.« Die Leute in Charleston behaupteten, dass die Runde Kirche deshalb rund gebaut worden sei, damit sich der Teufel nicht in den Ecken verstecken könne. Ich unterließ es, den beiden zu erklären, dass der Teufel keine Ecken brauchte. Bei unseren Kirchengemeinden hatte er bestimmt keine Schwierigkeiten, am helllichten Tag durch den Mittelgang zu spazieren.
    »Ich hab ihn auch gesehen«, flüsterte Tante Grace. »Ich bin sicher, dass er es war, denn sein Bild hängt in der Historischen Gesellschaft. Ich sehe es immer, wenn ich mit meinen Damen Rommé spiele. Es befindet sich in der Galerie der Gründerväter, weil doch die Ravenwoods die Ersten in Gatlin waren. Deshalb weiß ich auch so genau, dass es Abraham Ravenwood war.«
    Tante Mercy hinderte ihre Schwester am Weiterreden. Wenn Tante Prue nicht da war, führte sie das große Wort. »Er war es, ganz eindeutig. Und er hatte den Jungen von Silas Ravenwood bei sich. Nicht Macon – den anderen, Phinehas.« Ich kannte den Namen vom Stammbaum der Ravenwoods. Hunting Phinehas Ravenwood.
    »Meinst du Hunting?«
    »Kein Mensch hat den Jungen je so genannt. Man hat ihn immer nur Phinehas gerufen. Es ist ein biblischer Name. Weißt du, was er bedeutet?« Sie legte eine Kunstpause ein. »Er bedeutet Schlangenzunge.«
    Bei ihren Worten hielt ich unwillkürlich die Luft an.
    »Es war unverkennbar der Geist dieses Mannes. Der Herr ist mein Zeuge, wir sind schneller davongerannt als eine Katze, deren Schwanz in Flammen steht. Heute könnte ich weiß Gott nicht mehr so rennen. Nicht seit ich diese Komplikationen habe …«
    Am liebsten hätte ich sie einfach für unzurechnungsfähig erklärt, aber was die Schwestern erzählten, hatte immer einen wahren Kern. Man konnte nie wissen, welches Stückchen der Wahrheit sie gerade zum Besten gaben, aber ein Stückchen Wahrheit war es dennoch. So oder so war es gefährlich. Ich konnte mir noch keinen Reim darauf machen, aber wenn ich in diesem Jahr eines gelernt hatte, dann dass ich es früher oder später würde herausfinden müssen.
    Lucille miaute und kratzte an der Fliegengittertür. Wahrscheinlich hatte sie genug gehört. Harlon James lag unter dem Sofa und knurrte. Und zum ersten Mal überlegte ich, was die beiden wohl gesehen und gehört hatten in all den Jahren, die sie schon in diesem Haus waren.
    Aber nicht alle Hunde waren wie Boo Radley. Manchmal war ein Hund auch einfach nur ein Hund. Und eine Katze war eine Katze. Trotzdem machte ich die Fliegengittertür auf und klebte Lucille einen roten Punkt auf den Kopf.

Hüten und Bewahren

17.6.
    Wenn man in Gatlin etwas in Erfahrung bringen wollte, dann musste man nur dem Klatsch der Leute zuhören. Und an einem Tag wie heute konnte man beinahe

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