Eine unzüchtige Lady
besser ruhig verhalten.
Nach zwei weiteren desaströsen Händen entschuldigte Renquist sich mit vorsichtiger Höflichkeit und zog an einen anderen Tisch weiter, wo man mit Würfeln spielte. Es machte Derek nichts aus zu verlieren, denn er war heute Abend dazu auserkoren, als Wachhund zu fungieren. Unter normalen Umständen vertraute er Nicholas, sich zu benehmen. Aber die Situation war alles andere als normal.
Caroline war anwesend, hielt sich drüben im Ballsaal auf, während die Männer Karten spielten. Seinem Vorschlag folgend tanzte sie sogar. Das tat sie selten. Heute Abend sah sie noch hübscher aus als sonst. Sie war in eine tief ausgeschnittene Robe aus cremefarbener Spitze gekleidet, die durch einen Unterrock aus zitronengelber Seide komplettiert wurde. Ihr schimmerndes Haar und die blasse Haut hoben sich vorteilhaft davon ab. Seit der Rückkehr von ihrem Aufenthalt mit Nicholas hatte sich etwas Undefinierbares in ihrem Verhalten verändert. Obwohl sie so ruhig wie immer wirkte, umgab sie eine andere Atmosphäre.
Männer hatten es bemerkt. Nicht nur die Tatsache, dass sie tanzte - obwohl man auch das registrierte -, sondern einen eher
subtilen Unterschied. Etwas brachte ihre sonst eiskalte Maske zum Schmelzen.
Daher hatte der Duke so einen schlechten Sinn für Humor, vermutete Derek. Niemand wusste besser als er, wie es sich anfühlte, in der Nähe der Frau zu sein, die man liebte und der man nicht nahekommen durfte. Caroline war da. Nicholas wusste davon und musste ihr doch fernbleiben, während andere Männer mit ihr Walzer tanzten und flirteten. Das war eine Zurückhaltung, die ihm bisher unbekannt war. Er war ein Mann, der gewöhnlich bekam, was er wollte. Besonders dann, wenn es um das schönere Geschlecht ging.
Nicht dass ich in einer angenehmeren Situation bin, dachte Derek. Annabel war auch anwesend. In ihrem rosafarbenen Tüllkleid sah sie wunderhübsch aus, das helle Haar trug sie hochgesteckt, die zarte Linie ihres Halses und die seidigen Schultern für jedermann sichtbar. Er konnte sie natürlich bitten, mit ihm zu tanzen. Niemand würde darüber groß nachdenken, schließlich war er mit ihrem Vormund verwandt. Aber er war nicht sicher, ob sie ihn nicht schnitt, wenn er versuchte, sich ihr zu nähern. In der Öffentlichkeit brüskiert zu werden würde einigen Klatsch hervorrufen. Auch wenn ihn das nicht kümmerte, so bezweifelte er, dass es sie glücklich machte, wenn man hinter vorgehaltener Hand über sie redete. Er machte sich nichts vor; sie würde ihm die Schuld daran geben.
Darum musste er wie Nicholas die Distanz wahren.
Ein Freund nahm Renquists freien Platz am Tisch ein und bat darum, mitspielen zu dürfen. »Nur ein Wort der Warnung vorweg, George«, bemerkte Derek neutral. »Nick hat heute Nacht das Glück des Satans auf seiner Seite. Er kann einfach keine schlechten Karten bekommen.«
»Danke für die Warnung. Da werde ich lieber nicht zu viel aufs Spiel setzen.« George Winston, ein großer und geselliger
Mann, setzte sich zu ihnen und grinste. »Wenn wir schon vom Glück reden, wie geht es mit dem Wettbewerb zwischen euch beiden voran? Wann wird denn wohl das Ergebnis verkündet?«
Ein Muskel zuckte sichtbar in Nicholas’ Wange, aber seine Stimme klang recht freundlich. »Das ist noch nicht entschieden.«
Es konnte durchaus ein Fehler sein, Nicholas in seiner aktuellen Stimmung weiter anzustacheln. Aber es gehörte zum Plan, dass er sich seiner Eifersucht bewusst wurde.
Winston zwinkerte gutgelaunt. Er war schon immer geschwätzig gewesen. »Ihr wollt die Lady nicht bestürmen, meint Ihr wohl. Ihr solltet wissen, dass jeder höllisch viel Zeit damit zubringt herauszufinden, wer sie ist. Gebt uns doch einen Hinweis.«
Nicholas starrte auf seine Hand, als wäre sie das Faszinierendste auf Erden. »Nein.«
»Ist sie schön?« George ließ sich nicht abweisen. Und tatsächlich blickten alle Männer am Tisch gleichermaßen neugierig und amüsiert auf.
»Was glaubt Ihr denn?« Derek hob eine Braue.
»Ich vermute es. Hat sie große Brüste?«
Nicholas hob seinen Kopf wie ein Wolf, der Beute wittert.
Wenn es bloß eine diskrete Möglichkeit gäbe, George zu verdeutlichen, wie sehr er seine Neugier bereuen könnte, hätte Derek es getan. Über den Tisch hinweg bemerkte Nicholas mit täuschend lässiger Stimme knapp: »Da wir Gentlemen sind, weigern wir uns, dies zu diskutieren.«
Das war eine deutliche Warnung.
Die Kälte in seinen dunklen Augen verkündete, dieses Thema
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