Eine unzüchtige Lady
allzu gut erinnerte sie sich, dass ihr verstorbener Mann dieselbe Eigenschaft hatte. Sobald sie verstand, wie Edward wirklich war, bargen seine Züge für sie keinen wie auch immer gelagerten Reiz. Ein Monster war ein Monster. Da war es egal, welches Gesicht es zur Schau trug.
Obwohl die Höflichkeit ihr gebot, ihn hereinzubitten, verspürte sie echte Verärgerung. Mühsam fragte sie: »Möchtet Ihr nicht mit hereinkommen?«
»Ich hätte wohl kaum vorgesprochen, wenn ich nicht die Hoffnung gehegt hätte, dass Ihr mich hereinbittet.«
Die leichte Selbstgefälligkeit, die in seiner Stimme mitschwang, verärgerte sie noch mehr. Aber die Jahre ihrer Ehe mit seinem noch überheblicheren Cousin hatten sie gelehrt, ein großes Maß an Selbstbeherrschung an den Tag zu legen. Sie
hoffte, ihr Lächeln war unnahbar. »Natürlich. Hier entlang, Mylord.«
»Den Weg kenne ich ja. Einst habe ich mir vorgestellt, diese Residenz würde mir gehören.«
Er sprach die Worte mit vermeintlichem Humor aus, aber Caroline erinnerte sich zu gut daran, welch großen Teil ihres Erbes sie den Anwälten überlassen musste, die für sie das Erbe erstritten.
Sie gab sich keinen Illusionen hin. Er war kein Freund, aber zumindest war seine Rachsucht weit weniger offensichtlich als Edwards. Nachdem sie sich ihm gegenüber im Salon gesetzt und nach Erfrischungen geklingelt hatte, saß sie schweigend da und wartete, dass er den Grund seines Besuchs erläuterte. Es gab einen Grund, daran bestand für sie kein Zweifel.
Franklin starrte sie an. Seine hellen Augen waren undurchdringlich. »Ihr seht sehr gut aus, Caroline. Euer Besuch hat Euch offenbar gutgetan.«
»Danke.«
»Ich habe Eure Schönheit stets bewundert, wisst Ihr.«
Sein berechnendes Interesse an ihr ließ ihre Haut kribbeln. Ihre Zeit an Edwards Seite hatte sie gelehrt, dass ein Mann eine Frau im körperlichen Sinne begehren konnte, ohne ihr auch nur ansatzweise Zuneigung oder Freundlichkeit entgegenzubringen.
Als sie auf sein Kompliment nichts erwiderte, umspielte ein leises Lächeln seinen Mund. Er saß entspannt in seinem Sessel, wie immer elegant gekleidet. Fast schon stutzerhaft wirkte er in dem pfauenblauen Jackett und mit der makellosen Krawatte, die von einer diamantenen Anstecknadel gekrönt wurde. Hellbraune Hosenbeine steckten in glänzenden Reitstiefeln. »Lasst mich offen sein. Ihr misstraut mir nach der Auseinandersetzung um die Aufteilung der Besitztümer meines Cousins. Ich glaube, ich
habe inzwischen deutlich gemacht, dass ich diesen Streit beilegen möchte.«
»Wir müssen darüber gar nicht reden«, bemerkte sie möglichst neutral. Die Wahrheit war, dass sie den Verdacht hegte, Edward habe Franklin nicht gemocht.Vielleicht lag es daran, dass sie einander etwas zu ähnlich waren.
Er spreizte seine Hände in einer flehenden Geste. »Tatsächlich sollten wir darüber reden, denn es ist ein steter Quell der Zwietracht zwischen uns. Schließlich sind wir doch eine Familie, und ich will mich vor meiner Verantwortung nicht drücken. Wie ich bereits erwähnte, bin ich Euer nächster männlicher Verwandter, und es ist mein Recht, in Eurem Leben etwas zu sagen zu haben.«
Dieses ermüdende Thema war nichts, worüber sie noch einmal reden wollte.
»Wir sind nur kraft Heirat miteinander verwandt. Das ist wohl kaum eine enge Bindung, und wir sind schon gar nicht blutsverwandt. Im Übrigen habe ich meinen Vater.«
»Ich habe mit ihm gesprochen.«
Sie starrte ihn schockiert an. »Wie bitte?«
Franklin erwiderte ihren Blick mit ausdrucksloser Miene. »Natürlich. Ihr wisst doch, wie sehr ich mich um Euch sorge. Sein Standpunkt ist wohl so, dass er an dem Tag, als Ihr Edward geheiratet habt und eine Wynn wurdet, seine Verpflichtung Euch gegenüber als erfüllt betrachtete.«
Verpflichtung. Es schmerzte sie, daran zu denken, dass ihr Vater es so formulierte. Aber unglücklicherweise konnte sie sich allzu lebhaft vorstellen, wie er genau das aussprach. Caroline spürte, wie sich ihre Hände im Stoff ihres Kleids zu Fäusten ballten und die zarte Seide zerknitterten. Sie musste sich zwingen, sie zu entspannen. »Ich bin eine erwachsene Frau und Witwe. Ich bedarf weder finanzieller Hilfe, noch brauche ich jemandes Schutz.«
Er blickte sie nur auf seine kalte Art amüsiert an. »Jede Frau braucht Schutz. Da Eure Trauerzeit vorbei ist, trat mehr als ein Mann an mich heran und wollte um Eure Hand anhalten.«
Es machte sie wütend, sich vorzustellen, dass er nicht nur auf
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