Eine unzüchtige Lady
Töchter vor dir defilieren ließen, ob du nun einen gewissen Ruf genießt oder nicht. Wer ist sie?«
Das war der komplizierte Teil. Zunächst war er nicht absolut sicher, ob Caroline seinen Antrag annahm. Sie hatte gesagt, sie wünsche nicht, noch einmal zu heiraten. Aber sie hatte auch gesagt, sie liebe ihn. Es gab außerdem diese andere Sache, die geklärt werden musste.
Ruhig sagte er: »Caroline Wynn.«
»Die junge Witwe des Vicomte?« Seine Mutter saß sehr still. Überraschung zeichnete sich auf ihrem Gesicht ab.
»Eben diese.«
Sie dachte darüber nach. »Sie ist hübsch … also, mehr als hübsch, daher verstehe ich die Anziehung, aber …«
»Aber?«, hakte er nach, als sie nicht weitersprach.
»Ich weiß nicht. Mich erstaunt deine Wahl eher, Nicholas.«
»Mir ist durchaus bewusst, dass es sich in mancher Hinsicht nicht gerade um eine vorteilhafte Verbindung handelt. Aber bevor du die Blutlinien, Stammbäume und gesellschaftliche Verbindungen bedenkst, lass mich dir sagen, dass derlei mich noch nie sonderlich interessiert hat. Und ich habe meine Gefühle in dieser Sache bereits ausgiebig bedacht, glaube ich.« Seine Stimme klang barsch, darum versuchte er, sie zu mäßigen. »Ich habe alles genau durchdacht, glaub mir.«
Seine Mutter schüttelte den Kopf. Das frühe Morgenlicht fing das Leuchten der silbernen Strähnen auf, die ihr Haar durchzogen. »Ich wollte nichts dergleichen sagen.«
»Nein?« Er hob eine Braue. Für genau diese Einwände hatte er sich gewappnet. Ja, er war Rothay, er konnte tun, was er wollte. Und seine Familie konnte wenig dagegen unternehmen. Aber er liebte sie und wollte ihr Einverständnis. Seine Sorge um Caroline führte zudem dazu, dass er sich wünschte, seine Familie unterstützte ihn aus vollem Herzen. Sie hatte lange genug die Missachtung ihrer eigenen Sippe ertragen, soweit vorhanden. Wenn seine Verwandten Einspruch gegen die Verbindung mit ihr erhoben, würde sie das nur noch mehr schmerzen, und das könnte er nicht ertragen.
»Ich wollte dich fragen, woher du sie überhaupt kennst. Ich habe nicht mal den Hauch einer Andeutung vernommen, dass ihr in Verbindung zueinander steht.«
Diese verfluchte Wette. Nun, er würde auf keinen Fall die Wahrheit zugeben. Stattdessen sagte er: »Wir bewegen uns in denselben gesellschaftlichen Kreisen. Du kennst sie.«
»Das ist mein eigentlicher Einwand. Ich kann nicht behaupten, sie zu kennen. Sie ist recht distanziert.«
Nicholas schüttelte den Kopf. Er erinnerte sich an Carolines Wärme, ihre Direktheit - nicht zu vergessen ihre leidenschaftliche Seite, die sie so vorsichtig vor der Welt verbarg. »Sie ist alles andere als distanziert, sobald man sie kennenlernt. Zudem ist sie intelligent, belesen und redegewandt. Sie ist nicht käuflich, darum geht es ihr auch nicht um mein Vermögen, und ich bezweifle, ob mein Titel ihr überhaupt etwas bedeutet.« Er fuhr sich mit der Hand übers Gesicht und fügte in einem Atemzug hinzu: »Ich bin nicht mal sicher, ob sie meinen Antrag annehmen wird.«
»Warum um alles in der Welt sollte sie nicht?« Seine Mutter war empört.
»Ihre erste Erfahrung mit der Ehe war ein Desaster. Sie hat mir rundheraus mitgeteilt, sie habe nicht vor, je wieder zu heiraten.« Er verstummte kurz und fügte dann mit ruhiger Stimme hinzu: »Was uns zu einer anderen Sache bringt, von der ich sicher bin, dass man sie dir zutragen wird, wenn du es noch nicht weißt. Es gibt die Möglichkeit, dass sie unfruchtbar ist. Im Laufe der Ehejahre wurde sie nie schwanger.«
Stille. Nicholas nahm noch einen Schluck vom Brandy. Er fuhr fort: »Ich habe gehofft, du würdest es dennoch billigen. Althea wird sie mögen. Du wirst sie auch mögen, dessen bin ich mir sicher. Noch wichtiger ist aber: Ich mag sie. Ich bin mir meiner Pflicht durchaus bewusst, Mutter. Ich weiß, der Titel und folglich auch das Anwesen werden an einen entfernten Cousin fallen, wenn ich scheitere und keinen Sohn bekomme. Es ist ein teuflisches Dilemma, wenn man entscheiden muss, ob man sein persönliches Glück opfern und aufs Spiel setzen soll, indem man ein junges Mädchen heiratet, das mir einen männlichen Erben schenkt - oder auch nicht. Ich habe den Gedanken nie
sehr reizvoll gefunden, und jetzt erst recht nicht. Ich habe nur dieses eine Leben.«
»Und sie wird dieses Leben vollständig machen?« Seine Mutter stellte die Frage leise, ihren Blick auf sein Gesicht geheftet.
Nicholas hatte seit seiner Rückkehr aus Aylesbury nichts anderes
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