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Eine Urwaldgöttin darf nicht weinen

Eine Urwaldgöttin darf nicht weinen

Titel: Eine Urwaldgöttin darf nicht weinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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hielt Gloria das Foto dem ersten Maskierten hin. Der Mann starrte es an, erkannte sich wieder, kleiner, viel kleiner als ein Schrumpfkopf. Er sah sich noch einmal, außerhalb seines Leibes, tot also, obwohl er lebte, winzig und doch er selbst, und das war so unbegreiflich, daß er die Arme hochwarf, einen gellenden Schrei ausstieß und umfiel. Auch die beiden anderen Männer erkannten sich sofort, als Gloria ihnen das Bild entgegenhielt. Der Mann mit den Knochen auf dem Kopf machte einen weiten Satz nach hinten, warf die Rassel weg und flüchtete zu den Bäumen, auf deren dicken Ästen die Hütten hingen. Der junge Mann starrte Gloria mit großen, glühenden Augen an, kniete vor ihr nieder und wölbte ihr seine muskulöse Brust entgegen.
    Nimm mein Herz, Göttin. Reiß es heraus!
    Gloria schüttelte den Kopf. »Ich will euch nicht vernichten«, sagte sie mit begütigender Stimme, so wie man zu einem Tier spricht, das allein aus dem Ton der Stimme Vertrauen schöpft. »Ich will euch nur zeigen, daß ich mehr kann als ihr und deshalb stärker bin. Ihr werdet mir ein Boot geben, verlaßt euch darauf, ich mache euch schon klar, was ich will. Sieh dir das an, junger Häuptling, das bist du! Klein wie eine Termite. Aber du bist es. Erkennst du dich?«
    Sie beugte sich zu dem Mann hinunter und hielt ihm das Buntfoto vor die Augen. Neben ihm lag der alte Häuptling auf dem Rücken und rührte sich nicht. Gloria schielte zu ihm hin. Hoffentlich ist er nicht tot, dachte sie erschrocken. Ein Herzschlag – welch ein Wunder muß es für diesen Menschen sein, wenn etwas Fremdes plötzlich das eigene Ich aus der Hand zaubert. So bunt wie die Wirklichkeit.
    Mein Gott, laß den Alten leben! Es ist kein guter Anfang, gleich mit einem toten Häuptling zu beginnen –
    Der junge Mann starrte noch einmal das Foto an, hob dann den Kopf, seine schwarzen Augen musterten Gloria, und sein Mund begann zu zittern. Er kämpfte mit sich den mutigsten Kampf seines Lebens, schnellte dann die Hand vor, riß das Foto aus Glorias Fingern und zerknüllte es in seiner Faust. Dann saß er starr, wie versteinert, und wartete.
    Er hatte seine deutlich gemachte Seele zerstört. Was geschah nun? Zerfiel sein Leib zu Staub? Er schielte zu seinem Vater, lauschte nach hinten, wo der Medizinmann an einer der Lianenleitern stand, und wartete, daß sich für alle die Sonne verdunkelte und das ewige Dunkel kam. Aber nichts geschah.
    Da stand er auf, warf das zerknüllte Foto Gloria vor die Füße, drehte sich um und ging stolz zu den Hütten zurück. Sein nackter Körper glänzte in der Sonne, als sei er mit Fett eingerieben.
    Das war eine Niederlage, dachte Gloria, und der Schrecken saß kalt in ihr. Und sie wußte, daß der kleine, schöne, mutige Mann von jetzt an ihr größter Feind war.
    Für ihn war sie keine Göttin mehr. Ein Gott, der nicht strafen kann, ist machtlos –

11
    Das Krokodil schoß heran, der gehörnte Panzer durchfurchte den Fluß wie eine Schneide, und einen Meter vor Hellmut Peters riß es das gewaltige Maul auf, und die spitze Zahnreihe leuchtete in der Sonne.
    Zur Flucht war es zu spät, aber es war noch niemandem gelungen, mit den bloßen Händen ein angreifendes Krokodil aufzuhalten. Nur ein paar Wimpernschläge trennten Peters noch von dem sicheren furchtbaren Tod. Wenn diese Zähne sich in ihn gruben, mußte das ein Schmerz sein, der alles Vorstellbare übertraf.
    In diesem wirklich letzten Augenblick tat Peters etwas völlig Dummes. Er wußte später keine Erklärung dafür – er tat es unbewußt –, denn sein Herz stand bereits vor Grauen still, und sein Gehirn hatte aufgehört zu denken und hatte sich nur noch darauf eingestellt, dieses gräßliche Sterben mit einem wilden Aufschrei zu begleiten.
    Peters riß den armseligen Blechtopf von seinem Kopf, streckte ihn dem Krokodil entgegen und begann, mit der flachen Hand auf den Boden des Topfes zu schlagen, als sei er eine Handtrommel. Der helle, scheppernde, durchdringende Blechton, begleitet von dem völlig unartikulierten, stoßweisen Schreien des Menschen, traf das Krokodil wie ein Hieb. Es warf sich mit einem wilden Schwung herum, der aus dem Wasser schnellende Schwanz traf Peters vor die Brust, er flog zurück, klatschte in den weichen Boden und hieb voll Verzweiflung weiter auf den Blechtopf.
    Hilfe! Hilfe! Ich will leben! Leben!
    Wasser schwappte über ihn, vom Schwanz des Krokodils hochgewirbelt, es schmeckte faulig und war durchsetzt mit abgestorbenen Pflanzen, er rang

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