Eine Urwaldgöttin darf nicht weinen
Punkt, den der kleine Serra gewählt hat. Da hinten«, er zeigte den Fluß hinauf, »beginnt die echte Hölle! Danke! Ohne mich, Hellmut!«
»Dann suche ich sie allein, Sie Feigling!« schrie Peters voller Verzweiflung.
»Das dürfen Sie nie wieder sagen!« Serra beugte sich vor, hieb Peters die Faust unter das Kinn und hielt ihn fest, damit er nicht nach hinten ins Feuer kippte. »Nie wieder, mein Junge! Wer mich einen Feigling nennt, hat das bisher nie überlebt. Du bist der erste, und das auch nur, weil du so jung und dämlich bist!«
Peters schüttelte sich, als habe er im Wasser gelegen. Der Schlag war kräftig, und er wußte, daß er gegen den kleinen, muskulösen Mann nicht ankam.
»Was machen Sie eigentlich hier?« fragte er und rieb sich das rotanlaufende Kinn.
»Ich suche Orchideensamen.«
»Orchideen?« Peters sah den kleinen Mann verblüfft an. »Ist das denn noch ein Geschäft?«
»Natürlich. Oder glaubst du, ich setze täglich mein Leben aufs Spiel, weil ich kein Hirn habe? Es gibt noch genug Idioten, die für neue Orchideen blankes Gold auf den Tisch legen! Und solange es diese Idioten gibt, krieche ich durch die Wälder. Ein verflucht hartes Leben, Hellmut, aber ein schönes! Man darf nur nicht an all das denken, was einen umbringen will: die verdammten Viecher, das Fieber und die Indios mit ihren Giftpfeilen. Ein lautloser Tod, mein Lieber. Da hockt so ein Halbaffe im Baum, setzt das Blasrohr an, pustet dir einen dünnen Bolzen ins Fell, und in einer Stunde krepierst du so elend, daß du Gott verfluchst!«
»Wir müssen Gloria finden«, sagte Peters dumpf. »Antonio, helfen Sie mir. Ich flehe Sie an! Nur Sie können es, wenn sie nein sagen, gut, dann ziehe ich allein den Fluß hinauf. Und vielleicht pustet mich dann ein Giftpfeil um.«
»Vielleicht? Ganz sicher! Komm, trink noch einen Kaffee. Und dann erzähl alles im Zusammenhang.« Er reichte Peters noch einen Becher voll und hörte dann geduldig zu, was Peters erzählte. Dann sagte er: »Das waren Ximbús. Junge, es ist zum Kotzen! Vergiß Gloria.«
»Also doch ein Feigling«, sagte Peters leise. »Solange ich atme, werde ich Gloria suchen.«
»Da bleibt dir nicht mehr viel Zeit.« Serra stand auf. Er ging zu seiner primitiven Hütte, verschwand hinter der alten Militärdecke und kam dann wieder heraus, einen ausgefransten Strohhut auf dem Schädel, zwei Patronengurte um die Brust geschnallt und im Gürtel eine Pistole und zwei breite Buschmesser. Im Gehen warf er Peters eine große Machete zu, das beste Werkzeug, um sich durch das Lianengestrüpp des Urwaldes zu schlagen.
»Da! Aus der Heimat!« sagte er schief grinsend. »Made in Germany, Solingen.«
Peters sprang auf. »Sie machen mit?« rief er. »Antonio, ich möchte Sie umarmen!«
»Davon hab' ich nichts.« Der kleine Mestize starrte Peters mit seinen stechenden Augen an. »Ich habe einen Verdienstausfall. Wieviel ist Ihnen Gloria wert?«
»Alles Gold der Welt.«
»Reden Sie keinen Quatsch! Wieviel kannst du bezahlen, Junge?«
»In Pesos?«
»In Dollar!«
»1.000 Dollar!«
»Idiot! 5.000! Ich setze mein Leben ein.«
»Auch 5.000! Mein Gott, ist das jetzt so wichtig?«
»Und wie wichtig! Junge, das hier ist jetzt ein Geschäft, weiter nichts. Ich suche deine Gloria nicht aus Menschenfreundlichkeit oder weil du mir leid tust. Ich tu's nur für Dollars! Euer Schicksal ist mir scheißegal! 5.000 Dollar: das ist ein Preis!« Serra klemmte das Gewehr unter die rechte Achsel. »Los, gehen wir. Und mach mir alles nach wie ein Affe. Lasse ich mich fallen, runter mit der Birne. Renne ich, renn hinterher. Und kein Wort, wenn ich nichts sage. Ob du's glaubst oder nicht: Hier im Urwald ist eine menschliche Stimme wie eine Posaune. Die Indios hören sogar den Trommelwirbel, wenn ein Tausendfüßler über ein trockenes Blatt marschiert.« Serra, der schon ein paar Schritte gegangen war, blieb wieder stehen. »Und noch eins: Die 5.000 Dollar auch, wenn wir Gloria nicht finden! Der Einsatz war der gleiche. Und wenn du mich bescheißen willst; ich kann sogar während des Pissens schießen.«
»Ich werde immer in deiner Schuld bleiben, Antonio«, sagte Peters heiser.
»Hoffentlich nicht!« Der Mestize winkte. Dann nestelte er aus seinem Oberhemd ein Medaillon an einem Goldkettchen hervor, betrachtete es, küßte es und sagte gläubig: »Maria, Mutter des Herrn, hilf mir.« Mit langen Schritten eilte er danach weiter. Peters hatte Mühe, mitzukommen. Seine Beine waren wie knochenlos. Er
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