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Eine Urwaldgöttin darf nicht weinen

Eine Urwaldgöttin darf nicht weinen

Titel: Eine Urwaldgöttin darf nicht weinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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qualvoll wie im Wald. Man brauchte sich keinen Pfad durch das Unterholz, verschlungene Lianen und Riesenfarne zu schlagen, man brauchte nicht jede Stunde stehenzubleiben, um sich die festgesaugten Blutegel von der Haut zu reißen. Dafür gab es riesige Mückenschwärme, die über einen herfielen, wogende surrende Wolken begleiteten einen, und es war nur möglich, mit den Moskitonetzen über den Köpfen zu gehen.
    Einmal blieb Serra stehen und kramte in seinen Hosentaschen herum. Sofort warf Peters das Gewehr nach vorn.
    »Keine Tricks, Antonio!« rief er scharf.
    Serra schüttelte den dicken, runden, mit wirren Haaren überwucherten Kopf. »Madonna, haben Sie eine Angst! Ich kann nicht aus den Fingerkuppen schießen, und durchsucht haben Sie mich gründlich.«
    »Was wollen Sie denn?«
    »Sind Sie Raucher?«
    »Warum?«
    »Weil Ihnen nur die Wahl bleibt: Entweder die Mücken fressen Sie auf, oder Sie scheißen sich in die Hosen. Ich bin's gewohnt, ich vertrage es. Aber Sie?«
    Er holte aus der Tasche ein Knäuel Tabakblätter heraus, kauerte sich wieder nach Eingeborenenart in das seichte Wasser und drehte sich aus den Blättern eine dicke Zigarre. Er entwickelte dabei eine grandiose Fingerfertigkeit, die Tabakwurst glitt durch die Finger und über die Handballen und sah am Ende ziemlich appetitlich aus.
    »Sie auch?« fragte Serra mit schiefem Lächeln.
    »Natürlich.«
    »Das ist keine Havanna zu drei Dollar!«
    »Drehen Sie schon, Antonio.«
    Serra rollte die zweite Tabakwurst, beleckte sie sachkundig, damit die Deckblätter auch klebten, und reichte sie dann an Peters weiter.
    »Das ist meine Geheimwaffe, Hellmut«, sagte er dabei. »Ich warne Sie fairerweise vorher. Nach zehn Zügen fallen Sie um, wetten?«
    »Feuer!«
    Peters beugte sich vor. Serra steckte die Zigarre mit einem uralten, verbeulten Benzinfeuerzeug an und lutschte dann genußvoll an seiner dicken Tabakstange, ehe er sie auch anbrannte.
    Der Rauch war mörderisch, stank wie versengtes Horn, brannte die ganze Mundhöhle aus und kroch hinunter zum Magen, wo er eine unbändige Übelkeit verursachte.
    Aber die Mückenschwärme surrten sofort davon, als seien sie in eine Giftwolke geraten.
    »Das ist ein Tabak, was?« sagte Serra zufrieden. »Damit macht man ganze Landstriche seuchenfrei! Wie geht's Ihnen, Hellmut?«
    »Gut. Das sehen Sie doch.« Peters würgte, aber er rauchte tapfer weiter. Nur keine Blöße geben, dachte er. Nicht schlapp machen. Darauf wartet er ja nur. Nach jedem Zug tief einatmen und Luft einsaugen, so heiß und faulig sie auch ist. »Der zehnte Zug ist schon vorbei.«
    »Sie sind ein cleverer Bursche, Hellmut.« Serra wandte sich wieder zum Gehen. »Wenn Sie bloß noch so viel Hirn hätten, sich von einem alten Waldläufer sagen zu lassen, was sinnlos ist.«
    Sie tappten den ganzen Tag am Ufer entlang, erreichten den nächsten Katarakt und rasteten hier auf großen Steinen, die im Fluß nahe am Ufer lagen. Serra sah sich mehrmals um, kratzte sich den Kopf und hob resignierend die Schultern.
    »Wir sitzen hier wie Männchen auf der Schießscheibe«, sagte er.
    »Hier ist niemand«, antwortete Peters.
    »Das glauben Sie!« Serra schielte zum Ufer hinüber. »Ich wette, daß uns mindestens zwölf Augen beobachten.«
    »Vielleicht auch sechzehn«, sagte Peters. »Wenn sie etwas wollen, sollen sie herauskommen.«
    »Damit Sie sich erkundigen können: Haben Sie ein Mädchen gesehen, das allein durch den Wald wandelt?«
    »So ungefähr.«
    »Wer da im Busch lauert, pustet Ihnen einen Giftpfeil zwischen die Rippen.«
    »Warum tun die es nicht längst, wenn sie so wild auf unsere Köpfe sind?«
    »Ihre Logik ist umwerfend. Vielleicht tun sie es nicht, weil sie zu verblüfft sind! Sie haben noch nie zwei so Riesenidioten wie uns gesehen! Daß ein Mensch sich hier bewegt, ohne sich dauernd zu verstecken, das begreifen sie nicht!«
    »Aber sie sind um uns?« fragte Peters unsicher.
    »Ganz sicher. Hören Sie die Affen?« Serra blieb unbeweglich sitzen, als betrachte er etwas ganz Interessantes im Fluß. »An den Affen soll man sich orientieren. Eine Urwaldweisheit. Der Erfolg der Politiker beruht darauf. Je unruhiger die Affen sind und je lauter sie schreien, um so mehr ist im Verborgenen los. Und was hören Sie?«
    »Affen! Aber das schon immer, Antonio.« Peters schaute sich nach allen Seiten um. Er sah nichts. Der Rand des Urwaldes war leblos, eine grüne Mauer, hinter der die Geheimnisse der Jahrhunderte begannen.
    »Der Ton macht die

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