Eine Urwaldgöttin darf nicht weinen
verliert. Die Ximbús bestehen nicht nur aus Kretins! Sie haben im Gegenteil bisher von allen Kopfjagden am meisten gehabt. Passen Sie mal auf, wie man das macht.«
Serra kümmerte sich nicht mehr um den noch immer murmelnden und an seinem stinkenden und gelb rauchenden Feuer sitzenden Medizinmann, sondern rutschte hinüber zu dem finster blickenden Xinxaré.
»Du willst die Göttin haben«, sagte er.
»Ja.«
»Was willst du dann mit einem brennenden Wald? Wenn sie die Göttin der Sonne ist, beherrscht sie auch das Feuer. Sie wird ihre Hand ausstrecken, und alle Flammen werden erlöschen oder eine andere Richtung nehmen. Mit Krieg kann man keine Göttin erobern!«
»Ich muß sie haben!« schrie Xinxaré. »Sie macht die Ximbús unbesiegbar.«
»Es ist einfacher, sie zu stehlen.« Serra beugte sich vor. »Mein Freund und ich sind bereit, das zu übernehmen. Xinxaré, laß dir alles genau erklären und sag deinem Medizinmann, er soll sein Gespräch mit den Göttern einstellen. Sein Rauch stinkt entsetzlich …«
Nach einer halben Stunde, in der Peters wie auf glühenden Kohlen saß, kam Serra zu ihm zurück und legte sich auf den Holzrost. Noch immer brannten auf allen Inseln die Feuer, und die Männer warteten schweigend, den Blick zum Häuptlingshaus gerichtet.
Es war ein zauberhafter Anblick, wenn dahinter nicht der Tod lauerte.
»Alles okay«, sagte Serra und begann wieder eine seiner fürchterlichen Zigarren zu drehen. Peters wischte sich mit bebenden Händen über das Gesicht. Kalter Schweiß klebte an ihm.
»Was heißt das?« fragte er.
»Bei der besten Gelegenheit brechen wir auf. Sie und ich allein! Vielleicht noch ein paar Träger, aber die rechnen wir nicht mit. Ich habe Xinxaré davon überzeugt, daß eine Art Kommandounternehmen von uns beiden die einzige Möglichkeit ist, die weiße Göttin zu erobern. Wir – so habe ich gesagt – klauen sie den Ximbús einfach. Na, ist das genial?«
»Umwerfend! Und wie soll das vor sich gehen?«
»Abwarten und rauchen!« Serra brannte seine Tabakwurst an. »Zunächst sehen wir uns dieses sagenhafte Baumdorf an.«
»Wenn wir jemals herankommen.«
»Auch da gibt es Tricks, Hellmut. Dabei helfen uns die Erfahrungen der Yincas auf dem Wasser.«
»Die Raubfische können sie nicht dressieren.«
»Sie blöder Hund!« Serra paffte dicke Qualmwolken in die klare Nachtluft. »Aber sie verstehen was von der Konstruktion von schwimmenden Inseln. Und mit so einer Insel, die aussehen wird wie ein Gewirr treibender Baumstämme, ziehen wir bei den Ximbús vorbei.«
»Stromaufwärts, Sie Idiot!«
»Mein Gott, ist der Mann langsam! Natürlich wandern wir in einem weiten Bogen um das Gebiet der Ximbús herum und stoßen oberhalb von ihnen wieder an den Fluß. Und dort bauen wir unsere Insel. Alles klar?«
»Das kostet uns mindestens drei Wochen!«
»Zwei Monate, Sie Flasche.«
»Unmöglich!«
»Was heißt unmöglich? Können Sie's schneller? Los, machen Sie einen vernünftigeren Vorschlag. Ich habe keinen mehr im Ärmel.«
Peters schwieg. Zwei Monate warten. War das überhaupt zu überstehen? Was konnte in zwei Monaten alles geschehen? Jeder Tag bedeutete für Gloria eine Gefahr, denn einmal kamen auch die Ximbús dahinter, daß sie keine weiße Göttin gefunden hatten, sondern nur einen Menschen mit einer anderen Hautfarbe.
»Der direkte Weg …«, sagte Peters heiser.
»Führt in die Giftpfeile.«
»Die Überraschung, wenn wir schießen …«
»Dauert fünf Minuten, dann haben sie sich daran gewöhnt.«
»Wir müßten ein Feuerwerk inszenieren, daß sie glauben, die Welt bricht auseinander …«
Serra starrte Peters verblüfft an und vergaß sogar, an seiner scheußlichen Zigarre zu ziehen.
»Junge, das ist es!« sagte er endlich leise. »Das erste vernünftige Wort, seit wir uns kennen. Genau das machen wir: Feuerwerk im Urwald.« Er streckte sich aus und schob die Hände in den Nacken. »Jetzt könnte ich ganz ruhig und zufrieden schlafen.«
Die Späher der Ximbús kamen zurück und meldeten, daß kein weiterer Feind in der Umgebung des Dorfes gesehen worden sei. Aber man hatte Spuren entdeckt, die darauf schließen ließen, daß im weiten Umkreis Yinca-Krieger das Gebiet der Ximbús umkreist hatten.
Während Gloria in ihrem großen Baumnest schlief und Xéré wie ein Wachhund vor ihrer Tür lag, berief der alte Häuptling seinen Rat ein.
Die Göttin hatte gezeigt, daß sie Frieden wollte, aber mit Frieden war das Problem nicht zu lösen, daß es
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