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Eine Urwaldgöttin darf nicht weinen

Eine Urwaldgöttin darf nicht weinen

Titel: Eine Urwaldgöttin darf nicht weinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Fluß abgerissenen Erdstücke. Morgen würde es weitertreiben, wenn der Fluß durch den Regen etwas mehr Strömung bekam, um dann irgendwo beim nächsten Katarakt zu zerschellen.
    »Noch vier Stunden«, sagte Serra und kaute an einem Stück kalten Bratens.
    »Ich halte es nicht mehr aus«, stöhnte Peters. »Antonio, ich drehe durch.«
    »Dann kommen Sie etwas näher, damit ich Ihnen die Faust auf den dämlichen Kopf hämmern kann! Denken Sie nicht an Gloria, sehen Sie nicht rüber ins Dorf, beschäftigen Sie sich mit etwas Absurdem. Ein Vorschlag: Rechnen Sie mal durch, wie man einen dieser Wasserfälle für eine Elektrifizierung nutzbar machen kann. Mensch, Sie als Mathematiker müßten sich doch stundenlang mit Zahlen beschäftigen können! Ich kannte mal einen Ingenieur, der las ein Buch voller Zahlen wie einen Roman! Ich fand das direkt pervers.«
    Die Zeit tropfte dahin, zäher als Sirup, der von einem Löffel rinnt.
    An dem riesigen Baum hatten die Bauarbeiten für Glorias neue Hütte aufgehört. Die Menschentrauben kletterten die Lianenleitern herunter und versammelten sich wieder um die Feuer, um zu essen. Gloria saß noch am Ufer. Xéré brachte ihr gekochten Fisch, aber als er ihr wieder ein Gefäß mit Wasser reichte, schüttelte sie den Kopf.
    Xéré wußte, was sie dachte. Er lächelte, trank selbst einen langen Schluck und hielt ihr dann erneut die Kürbisschale hin.
    »Noch einmal überlistet ihr mich nicht«, sagte Gloria und trank vorsichtig. Es war gesüßtes Wasser, mit dem Saft irgendeiner Frucht durchsetzt. Dann zeigte sie über den Fluß und nickte mit dem Kopf hinüber.
    »Siehst du die kleine, angeschwemmte Insel, Xéré?« fragte sie. »Sie ist wie ich. Sie möchte weitertreiben, den Fluß hinab, aber ein seelenloser Ast hält sie fest. Wir wollen sie losmachen.«
    Zum Glück verstand Xéré nichts davon. Er dachte, Gloria spräche vom Fluß und blickte über die Insel hinweg auf den Strom.
    »Ohne dich stirbt mein Volk«, sagte er. »Du mußt bleiben. Es ist alles anders geworden bei uns, seitdem du da bist. Es gibt keine Nachtgeister mehr; ich weiß es jetzt.«
    Er setzte sich neben sie auf die Erde und legte das Kinn auf seine angezogenen Knie. Langsam fiel die Dämmerung über den Wald, die Feuer warfen ihre zuckenden, roten Schatten gegen die Büsche und Bäume.
    »Es scheint so, als ob der junge Ximbú bei ihr bleibt«, sagte Serra nachdenklich. »Das ist gegen alle Erfahrung. Nachts ist kein Indio draußen wegen der Geister. Aber dieser Kerl hat Mut. Er bleibt. Sehen Sie, Hellmut, die anderen klettern in ihre Baumnester. Nur der Junge bleibt. Jetzt müssen Sie ihn doch erschießen, Hellmut. Wenn ich sage: Jetzt!, drücken Sie ab. Gleichzeitig werfe ich die ersten Dynamitröhren vor die Baumhütten. Aber dieser erste Schuß muß sitzen!«
    Peters nickte stumm. Sein Herz schlug direkt unterhalb des Kehlkopfes, er bekam kaum noch Luft und legte seine Hände flach auf die Baumstämme. Sie dürfen nicht zittern, sagte er sich. Sie dürfen nicht zittern. Mein Gott, ich habe noch auf keinen Menschen geschossen, und ich schwöre, ich werde auch nie wieder auf einen schießen, aber dieses eine Mal wird es geschehen, auch wenn ich nie darüber hinwegkommen werde. Ich habe nie die Entschuldigung begriffen, daß es eine Notwendigkeit des Tötens gibt, und jetzt sage ich sie selbst her.
    Er drückte das Gesicht auf das nasse Floß und kam sich so elend vor, daß ihn Übelkeit würgte. Serra sah ihn von der Seite an und grunzte.
    »Gut. Ich töte ihn!« sagte er leise. »Disponieren wir um. Wenn es richtig dunkel ist, waten wir mit dem Floß an Land.«
    »Durch den Fluß?«
    »Wollen Sie fliegen?«
    »Und die Piranhas?«
    »Zum Teufel! Ohne Risiko ist nichts im Leben! Das fängt mit der Geburt schon an! Hier ist der Fluß seicht. Beten wir gemeinsam, daß er so seicht ist, daß sich kein Piranha hier aufhält! Haben Sie die Paddler gesehen, als sie bei uns vorbeifuhren? Sie haben nicht gepaddelt, sondern die Boote vorwärts gestoßen. Das bedeutet, hier ist die Bucht nur knietief! Aber mit Schlamm müssen wir rechnen. Und das wäre eine Scheißlage, wenn wir aussteigen und der Flußboden hält uns fest!«
    Endlich kam die Nacht. Xéré, der Gloria an die Schulter faßte und zu den Bäumen zeigte, wurde abgeschüttelt.
    »Nein!« sagte Gloria. »Ich bleibe hier! Hier auf dem Floß. Wenn du mich anrührst, schreie ich, und sie werden dich an den biegsamen Baum binden wie den jungen Häuptling! Faß

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