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Eine verlaessliche Frau

Titel: Eine verlaessliche Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Goolrick
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noch einmal anders überlegen, dachte sie, das müsste sie auch, aber der Gedanke an Antonio hing wie eine Schlinge über ihr. Es war keine leere Drohung. Er würde Ralph schreiben, und alles wäre vorbei. Antonio bedeutete die Liebe für sie, zumindest, bis Ralph kam, alles, was sie davon kennen gelernt hatte. Was Antonio von ihr wollte und was sie ihm versprochen hatte, würde auf irgendeine Weise erledigt werden müssen. Und so begann sie wieder aufs Neue damit.
    Die Liebe, selbst eine schlechte Liebe, war so verlockend für sie, dass sie, selbst wenn sie nur kurz währte, ihre ganze Aufmerksamkeit beanspruchen konnte. Das Bild Antonios schwebte ihr vor den geblendeten Augen. Schließlich war es ja nur ein Tropfen, ein Tropfen in sein Wasser, in seine Suppe, ein Tropfen in seine Haarbürste. Es war klar, eisig und beinahe geruchlos. Sie wusste, wie schrecklich es für ihn werden würde. Sie wusste, auf welche Weise er sterben würde. Sie konnte jetzt nicht mehr damit aufhören.
    Er sprach nie wieder davon, so wie er es versprochen hatte. Er bat sie niemals, damit aufzuhören, beklagte sich nie über die Veränderungen, die seinen Körper und sein Leben heimzusuchen begannen. Er wurde ängstlich. Die Träume, die seinen Schlaf verzaubert hatten, waren nun schrecklich, dennoch beklagte er sich nie.
    Um zwei oder drei Uhr morgens wachte er, von Angstschweiß bedeckt, auf und wandte sich ihr zu, sie trocknete ihn ab und deckte ihn wieder zu, und er lag bis zum Morgengrauen, vor Kälte zitternd, da. Sie fühlte ihm die Stirn. Er verbrannte. Sie verspürte eine Zärtlichkeit, die sie noch nie für irgendeinen Mann empfunden hatte, eine Zärtlichkeit, die sogar über Liebe hinausging.
    Er wirkte ausgezehrt. Seine Kleidung begann, sich in seine Haut zu brennen. Jeder Laut, jedes Geräusch begann, in seinem Ohr zu scheuern, bis er es nicht mehr ertragen konnte.
    Eines Abends sprach er nach dem Abendessen mit leiser Stimme, rezitierte ein Gedicht.
    Ich wandre die ganze Nacht in meinem Traumgesicht,
    Schreite leichten Fußes, schreite rasch und geräuschlos und halte inne,
    Beuge mich mit offenen Augen über die geschlossenen Augen der Schläfer,
    Wandere und bin verwirrt, mir selbst verloren, durcheinander, widersprüchlich,
    Halte inne, spähe, beuge mich nieder und verweile.
    Sie wusste nicht, was er meinte. Sie wusste nicht, woher diese Worte stammten. In seiner Stimme lag kein Vorwurf. Sie vermutete, dass es der Beginn einer Demenz war, die wenigstens dazu führen würde, dass er vieles von dem, was mit ihm geschah, nicht mehr bemerkte.
    Depression, Morbidität, gefolgt vom Tod. Das waren die Worte, die sie in der Bibliothek gelesen hatte. Sie wusste bereits, was alles auf ihn zukommen würde, die Schmerzen, die Flecken in seinem Sichtfeld, die die Welt gelb und grün färben würden, die eitrigen Pusteln, die verhärmten Augen, die dunklen Höhlen. Sie wusste es, aber sie hatte gedacht, sie wäre darauf vorbereitet.
    Â»Es ist falsch«, sagte Mrs. Larsen. »Ich habe schon viele Krankheiten gesehen, bei Truitt, bei … überall, aber das hier ist eine Krankheit, wie ich sie noch nie gesehen habe.«
    Mrs. Larsen begann, sie zu beobachten. Catherine setzte sich hin und redete mit ihr.
    Â»Ich weiß nicht, was es ist. Wir werden einen Arzt rufen. Er wird uns sagen, was wir tun sollen.«
    Ein Arzt würde sowieso nichts finden, würde keinen Verdacht hegen. Ein Mann in Truitts Alter konnte schon mal Ekzeme und Ausschläge bekommen. Ihm konnte das Haar ausfallen. Er konnte Wahnvorstellungen haben, ein überscharfes Gehör, einen Tinnitus, irgendetwas Unvorhersehbares. Das konnte jedem passieren. So etwas geschah. Truitt, der gewiss noch nicht alt war, war auch nicht mehr jung. Aber Truitt wollte keinen Arzt rufen. Das Gift war sein Treibstoff. Er war nicht unglücklich. Und er liebte seine Frau. Sie war die wunderschöne, tödliche, boshafte Spinne, auf die er sein ganzes Leben gewartet hatte. Sie war das letzte Messer, das in sein Herz drang. Er öffnete dankbar sein Hemd für sie.
    Mrs. Larsen ließ Catherine keine Sekunde mehr aus den Augen. Truitt war ihr Leben, und sie fühlte, wie dieses Leben ihr, wie so vieles andere, das sie schon verloren hatte, grausam entglitt. Das im Wahnsinn, in einem unheilbaren Schrecken, geendet war. Und sie wusste, was sie schon vorher gewusst hatte: dass das

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