Eine verlaessliche Frau
sich darauf ein, sagte er. Stellen Sie sich darauf ein und warten Sie. Er gab Truitt Morphium gegen die Schmerzen.
»Es ist Krebs«, sagte Catherine zu Mrs. Larsen. »Wir müssen es ihm bequem machen. Wir müssen warten. Es gibt nichts, was wir tun können.«
»Ich glaube ihm nicht«, sagte Mrs. Larsen. »Irgendetwas geschieht da. Irgendetwas, das nicht normal ist.« Die Liebenswürdigkeit, die sie sonst Catherine gegenüber an den Tag gelegt hatte, verwandelte sich in Misstrauen, und sie wurde halb wahnsinnig vor Elend. Sie konnte nichts tun. Truitt konnte nicht essen, was sie ihm zubereitete. Er konnte nicht am Tisch sitzen.
Truitt begann, in die Kirchen zu gehen, in eine nach der anderen. Er empfand eine tiefsitzende Angst vor anderen Menschen, davor, von ihnen berührt oder auch nur angeblickt zu werden, aber er ging hin. Catherine begleitete ihn, saà in schmucklosen Kleidern unter Calvinisten, Lutheranern, Swedenborgianern, Fanatikern und Apokalyptikern. Die Priester hörten beim Anblick von Truitts Beulen im Gesicht auf, über die Höllenfeuer zu predigen, sondern sprachen stattdessen von der heilenden Kraft der Liebe. Die Höllenfeuer waren heruntergebrannt, und jetzt gab es nur noch Gnade. Es fiel ihm schwer, aber Truitt saà kerzengerade da, mied die bohrenden Blicke und sprach nach den Gottesdiensten sanft mit seinen Nachbarn und Arbeitern. Niemand berührte ihn. Niemand sagte, dass er sehr schlecht aussähe. Die Rückfahrt, bei der die Kutsche in den Fahrspuren hin und her ruckte, war eine Qual. Truitt hatte Angst, dass die Pferde wieder scheuen könnten. Das hatten sie schlieÃlich schon einmal getan.
Er wachte nachts auf, und das Zimmer hatte sich mit toten Menschen, all den Toten, die er je gekannt hatte, gefüllt. Mit seiner Mutter und seinem Vater, Emilia, der süÃen Franny. Larsen mit seinem blutigen Handgelenk war da. Mitten unter ihnen stand glückselig Antonio, seine Augen weià wie Marmor und sein Gesicht leer. Dann rief Truitt ihre Namen, als ob sie ihm ihre schrecklichen Geheimnisse verraten könnten.
Er hörte die Stimme des Dichters:
Mir scheint, jedes Ding in Licht und Luft sollte glücklich sein,
Wer nicht im Sarg und finsteren Grab liegt, laÃt ihn wissen, er hat reichlich.
Catherine wachte dann auf. Sie ging im Zimmer umher, die Arme wie weiÃe Schwingen gehoben, ihr Nachthemd sich um ihre FüÃe bauschend, bis die Toten wieder fort waren und nur das fahle Mondlicht schien. Dann brachte sie ihn aufs Neue zur Ruhe, und er schlief eine Weile.
Jede Nacht trank er sein Wasser, während sie den Blick abwandte und weinte. Er verspürte eine gewaltige Trauer, ein besonderes Gefühl des Verlustes, aber er weinte nie mehr, und er sprach nie mehr davon.
An manchen Tagen sprach er gar nicht. Rastlos lief er von Zimmer zu Zimmer, durch die vielen Räume des prächtigen Palazzo, nahm kleine Gegenstände in die Hand, drehte sie im Licht hierhin und dorthin und versuchte sich daran zu erinnern, woher sie kamen und wozu sie dienten. Er fragte sie nach dem Namen der Dinge. Er fragte sie, woher sie stammten. Sie wusste es nicht. Aus Europa, sagte sie. Aus Italien. Aus Limoges.
Sie hörte auf. Sie fing wieder an. Sie wollte in den Wald gehen und das Arsen dort wegschütten, wo kein Lebewesen es je aufspüren würde. Aber sie warf es nicht weg. Sie behielt es, in seiner blauen Flasche mit dem chinesischen Etikett.
Sie wusste, dass es einen Punkt gab, an dem sie aufhören könnte und sich das Gift wieder abbauen würde. Er wäre geschwächt, verhärmt und vernarbt von den Beulen in seiner Haut. Er würde weiterleben, aber früher sterben. Aber er würde nicht sofort sterben. Er würde nicht unter ihren Händen sterben, während diese seine Haut pflegten. Er würde nicht qualvoll sterben. Es gab einen Punkt, an dem er weiterleben, und es gab einen Punkt, nach dem nichts mehr für ihn getan werden könnte. Sie wusste, dass sie sich diesem Punkt näherte, und ihre Qual wuchs jedes Mal, wenn er einen Namen vergaà oder sich plötzlich in seinem Stuhl aufsetzte und zu einem anderen Stuhl ging, jedes Mal, wenn sie ihn mit warmem Wasser badete, um sein Frösteln und seine Angst zu lindern.
Mrs. Larsen hatte einen Hass auf sie entwickelt, weil sie irgendwie spürte, dass Catherine die Ursache für das war, was Truitt tötete, was immer es auch war, dass sie ihn
Weitere Kostenlose Bücher