Eine verlockende Braut: Roman (German Edition)
Stoff gewickelt war. Sie legte es Emma auf den Schoß, dann nickte sie ihr auffordernd zu und lächelte sichtlich stolz.
In der Hoffnung, sie würde nicht die vermoderten Überreste eines Vogels oder einer Maus darin finden, schlug Emma vorsichtig den Stoff zurück; eine einfache Kirschholzschachtel mit Klappdeckel befand sich darin. Die Schachtel roch feucht und modrig wie etwas, das lange Zeit in der Erde gelegen hatte.
Emma wischte behutsam die Erde weg, die am Deckel klebte. Die Miniatur eines jungen Mädchens kam zum Vorschein, die in das Holz eingelassen war.
»Ihr Vater hat sie ihr geschenkt, als sie siebzehn wurde«, sagte Mags und verriet Emma damit, dass sie zwischen Vergangenheit und Gegenwart hin- und herglitt. »Er hat ihr Bild von einem durchreisenden Künstler malen lassen, jawohl. Sie war so stolz darauf! Ich erinnere mich daran, wie sie ihm die Arme um den Hals geschlungen und sein Gesicht mit Küssen bedeckt hat.«
Emma drehte die Schachtel zum Fenster und betrachtete das Bild im sanften Licht des Mondes. Obwohl sie hätte schwören können, dass Jamie das Abbild seines Großvaters war, besaß er auch Züge seiner Mutter. Sie konnte das an der Form der Wangenknochen erkennen und daran, wie sich um seine Augen feine Fältchen bildeten, wenn er lächelte.
Emma blinzelte, versuchte die Form des Halsbandes zu erkennen, das um Liannas anmutigen Hals lag. Es schien eine Art gälisches Kreuz zu sein.
»Mach schon«, drängte Mags sie. »Öffne es.«
Emma griff nach dem Deckel, und ihre Hand zitterte leicht.
»Mags! Was, zum Teufel, tust du da?«
Beide, Emma und Mags, zuckten schuldbewusst zusammen und drehten sich rasch zur Tür um.
Jamies Großvater stand auf der Schwelle. Er wirkte noch größer und eindrucksvoller, wenn seine breiten Schultern wie jetzt halb im Schatten blieben. »Du darfst unseren Gast nicht stören, Mags. Die Kleine muss sich ausruhen.«
»Ja, Mylord. Ich habe nur nachgesehen, ob sie noch eine Decke braucht.«
Emma wollte die Decke über die Schachtel ziehen, merkte dann aber, dass sie schon wieder in Mags’ Rocktasche verschwunden war. Ehe die alte Kinderfrau sich vom Bett abwandte, erschreckte sie Emma erneut, indem sie ihr verschwörerisch zuzwinkerte.
Jamies Großvater trat zur Seite, um sie an sich vorbeischlurfen zu lassen. »Achten Sie nicht weiter auf Mags, Kleines«, riet er Emma. »Manchmal spät in der Nacht, wenn sie nicht schlafen kann, beginnt sie zu wandern – mit dem Körper und in Gedanken.«
Einen flüchtigen Moment lang wirkte er nahezu so wehmütig, wie Mags es getan hatte, als sie zu dem Bett gekommen war, um Emma übers Haar zu streichen. Emma fragte sich, ob er auch schlaflose Nächte verbrachte und rastlos durch die Festung wanderte, verfolgt von Erinnerungen an seine arme todgeweihte Tochter.
»Schlafen Sie gut, Kind«, sagte er brummig, bevor er wieder mit den Schatten verschmolz, die Schultern tiefer gesenkt als eben bei seiner Ankunft.
Emma sank mit einem Seufzer zurück in die Kissen, im Geiste noch mit ihrem kurzen Blick auf Jamies Mutter beschäftigt, und fragte sich, warum sie in ihrem einsamen Bett anscheinend von allen Besuch bekam, nur von demjenigen nicht, den sie am meisten sehen wollte.
Kapitel 27
Als Emma am nächsten Morgen aufwachte, war der Stuhl neben ihrem Bett immer noch leer, sodass sie das seltsame Gefühl hatte, verlassen zu sein. Ein kummervolles Seufzen füllte das Zimmer und verriet ihr, dass sie nicht allein war.
Sie setzte sich auf und entdeckte den Hirschhund ausgestreckt vor dem Kamin, den zotteligen Kopf auf die gewaltigen Vorderpfoten gebettet.
»Feines Pony«, murmelte sie und beäugte das Tier besorgt, fragte sich, ob es heute Morgen wohl schon etwas gegessen hatte. Es wirkte groß und wild genug, auch ihre Knochen abgenagt vor dem Kamin herumliegen zu lassen.
Als Antwort auf ihre Begrüßung seufzte er noch einmal und schloss seine seelenvollen braunen Augen, wirkte mehr geneigt, den Rest des Tages dösend zu verbringen, als sie mit einem einzigen Biss zu verschlingen. Vielleicht ernährte er sich auch ausschließlich von Wild.
Jemand war bereits hier gewesen, während sie schlief, und hatte die Holzläden geöffnet, sodass der Sonnenschein ins Zimmer fallen konnte. Sie bewegte probehalber ihre verwundete Schulter. Sie war wesentlich weniger steif und schmerzhaft als gestern noch.
»Mylady?«
Mags erschien auf der Schwelle. Sie mühte sich mit einem dicken Stoffbündel und einer Waschschüssel aus
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