Eine verlockende Braut: Roman (German Edition)
»Vielleicht lag es am Rückstoß der Waffe.«
Er hob die Brauen. »Bevor du abgedrückt hast?«
Emma verkniff sich weitere Einwände. Sie war vielleicht imstande, diesen Augenblick vor ihm zu leugnen, aber sie konnte es kaum vor sich selbst abstreiten. Zumal sie es selbst nicht einmal im Ansatz begriff.
»Es ist nicht auszuschließen, dass meine Männer es nicht gut aufgenommen hätten, wenn ich kaltblütig erschossen werde. Was, wenn einer von ihnen bereit gewesen wäre, dich zu erschießen, um mich zu retten?«
»Dann, nehme ich an, wäre Ihnen Ihr kostbares Lösegeld entgangen und der Earl wäre gezwungen gewesen, sich eine neue Braut zu suchen.«
Jamie drehte sich um, entfernte sich ein paar Schritte von ihr und fuhr sich mit einer Hand durch das dichte schwarze Haar. Sein Körper war angespannt, als woge in ihm ein unsichtbarer Kampf.
Emma hätte nicht sagen können, was sie antrieb, das sie dazu verleitete, ihn mit bebenden Fingerspitzen durch den verblassten Stoff seines Hemdes am Arm zu berühren. »Können Sie mir wirklich einen Vorwurf daraus machen, dass ich versucht habe zu entkommen? Wenn Sie von den Rotröcken gefangen genommen oder in eines der Verliese in der Burg des Earls geworfen worden wären, hätten Sie da nicht das Gleiche getan?«
Er drehte sich wieder mit so einer strengen Miene zu ihr um, dass sie jede Unze ihres Mutes brauchen konnte, nicht beunruhigt ein paar stolpernde Schritte nach hinten zu machen. »Aye, das würde ich, allerdings hätte ich Erfolg gehabt. Und ich wäre nicht so närrisch gewesen, der Gnade eines Mannes wie mir ausgeliefert zu sein.«
»Was für eine Sorte Mann sind Sie eigentlich, Jamie Sinclair? Nach dem zu urteilen, womit Ihr Cousin Bon eben herausgeplatzt ist, ist es nicht Ihre Gewohnheit, wehrlose Frauen zu terrorisieren.«
»Das war, bevor ich dich getroffen habe. Und man kann dich schwerlich als wehrlos bezeichnen.«
»Wenn ich nicht gelernt hätte, mit welchem Ende eines Gewehres ich auf einen Fasan oder einen Hasen zielen muss, hätte es viele Tage – wenn nicht Wochen – im Winter gegeben, an denen meine Mutter und meine Schwestern kein Fleisch auf dem Tisch gehabt hätten.«
»Ich habe nicht darüber gesprochen, wie du mit einer Schusswaffe umgehst. Du verfügst über andere Waffen, die wesentlich gefährlicher für die Entschlossenheit eines Mannes sind.« Sie atmete schneller, als er eine Hand hob, um mit den Fingerknöcheln über ihre Wange zu streicheln.
Es war ihr nie in den Sinn gekommen, dass er sich auf Zärtlichkeit verlegen könnte, um ihre Gegenwehr zu ersticken, statt auf brutale Gewalt zurückzugreifen. Oder dass er so furchtbar wirkungsvoll dabei sein könnte.
»Wie beispielsweise?«, fragte sie flüsternd. Sie wusste, es war noch dümmer, danach zu fragen, konnte es sich aber nicht verkneifen.
»Dein Verstand. Dein Geist. Deine Bereitwilligkeit, alles, alle Hoffnung, jemals Glück zu finden, eingeschlossen, zum Wohle deiner Familie zu opfern. Selbst deine Loyalität deinem Bräutigam gegenüber – so fehlgeleitet sie auch sein mag.« Seine Stimme senkte sich zu einem rauchigen Brummen, das sie bis in die Zehenspitzen erbeben ließ. »Deine schönen Augen. Deine niedliche sommersprossige Nase. Deine weichen Lippen …«
Ehe besagte Lippen sich zu einem wehmütigen Seufzen öffnen konnten, packte Jamie sie. Er nahm ihr Gesicht zwischen seine Hände, forderte sie für sich, als habe sie immer schon ihm gehört, als werde sie ihm auf ewig gehören.
Sein Mund bedeckte hungrig ihren, teilte ihre zarten Lippen mit einer Meisterschaft, die so unleugbar war wie unwiderstehlich. Seine Zunge plünderte die Süße ihres Mundes, bis sie nichts wahrnehmen konnte und wollte als seinen Geschmack nach Whisky und Holzrauch. Er hielt zwar vielleicht ihr Gesicht zwischen seinen Händen gefangen, aber er schmeckte nach Freiheit und Leidenschaft, nach einer Gefahr, die ebenso verführerisch und unwiderstehlich wie angsteinflößend war.
Es war nicht der Kuss eines Liebhabers, sondern der eines Eroberers, eines Plünderers, dem sein ganzes Leben lang beigebracht worden war, dass er sich würde nehmen müssen, was er wollte, wenn er je etwas bekommen wollte. Es gab keine Verteidigung gegen so einen herausfordernden Angriff auf die Sinne, keine Worte, die sich der dunklen, grundlegenden Kraft erwehren konnten.
Sie spürte, wie ihre Finger sich wie die Blütenblätter einer Blume öffneten, sich hoben, um unter den Saum seines Hemdes zu gleiten
Weitere Kostenlose Bücher