Eine verlockende Braut: Roman (German Edition)
hatte und die die bereits hohen Einsätze in diesem gefährlichen Spiel noch weiter in die Höhe trieb.
Ian und er hatten zu lange zusammen auf derselben Seite gekämpft, selbst wenn es nur gegen die Schulhofschläger auf St. Andrews gewesen war. Trotz seiner lässig-verächtlichen Haltung musste Ian wissen, dass Jamie niemals ohne seine Männer in die Schlacht ziehen würde. Er musste erraten haben, dass verborgene Pistolen auf seine Brust zielten, sodass er der Erste wäre, der starb, wenn irgendetwas schiefging.
Jamie blickte flüchtig zu den Bäumen und betete im Geiste, dass seine Männer jede Unze Selbstbeherrschung nutzen würden, die er ihnen anzutrainieren versucht hatte.
Er zügelte sein Pferd, ein gutes Stück von der Stelle, wo Ian saß und auf ihn wartete. Er schwang sich aus dem Sattel, dann streckte er die Hände aus, um Emma beim Absitzen zu helfen.
»Warte hier«, verlangte er, und seine Hände blieben ein wenig länger als unbedingt nötig um ihre Taille liegen. »Wenn irgendetwas schiefgeht, lauf so rasch du kannst zu den Bäumen dort. Such Bon. Er wird sich um dich kümmern.«
Sie nickte. Dem ernsten Ausdruck in ihren rauchig blauen Augen nach zu schließen begriff sie genau, was er ihr damit zu verstehen geben wollte.
Und was er unausgesprochen ließ.
Er schaute ihr in die Augen, sich überdeutlich bewusst, dass jede ihrer Bewegungen von Freund und Feind genauestens verfolgt wurde. Er schluckte all das herunter, was er sagen wollte, nickte ein letztes Mal, drehte sich um und ging zu Ians Pferd.
Er hatte die Hälfte des Weges zurückgelegt, blieb dann aber stehen, da Ian keine Anstalten machte abzusitzen.
»Was ist denn los, Junge?«, rief er ihm zu und wusste, sein Feixen würde Ian noch viel stärker reizen als sein übertriebener Dialekt. »Macht dir wohl viel Spaß, auf einen einfachen Sinclair herabzusehen, was?«
Ian starrte ihn eine Minute länger an, bevor er von seinem Pferd abglitt und zu ihm ging, sodass er ihm gegenüberstand. Aus dieser Entfernung könnte er derselbe stolze Junge sein, der stoisch eine Tracht Prügel über sich hatte ergehen lassen, als Jamie ihn zum ersten Mal sah. Aber als Jamie näher kam, erinnerte ihn die Verachtung, die aus jedem Zug in seinem Gesicht sprach, daran, dass er schon sehr lange nicht mehr dieser Junge war.
Jamie blieb erst stehen, als er Auge in Auge vor Ian stand, das erste Mal seit vier Jahren. »Gewöhnlich schickt dein Onkel doch einen seiner Kampfhunde, um die Drecksarbeit für ihn zu erledigen. Welchem Umstand habe ich das Vergnügen deiner Gesellschaft zu verdanken?«
»Vielleicht dachte er, du würdest mich weniger schnell erschießen. Natürlich nicht aus falsch verstandener Rührseligkeit oder gewöhnlichem Anstand heraus, sondern um deine widerwärtige Haut zu retten.«
Trotz bester Absichten spürte Jamie, wie sein Temperament sich regte. »Ist doch seltsam, dass du mich erst hasst, seit dein Onkel dir gesagt hat, es werde von dir erwartet.«
»Ich bin sicher, das hätte ich bereits früher, wenn du mir von Anfang an gesagt hättest, wer genau du bist.«
Jamie schüttelte betrübt den Kopf. »Du weißt immer noch nicht, wer ich bin.«
Ians dunkle Augen glitzerten mit kaum verhohlener Wut. »Ich weiß, dass du ein nichtsnutziger Dieb und ein Mörder bist. Als ich dich an dem Tag auf dem Berg, nachdem mein Onkel mir vor Augen geführt hatte, wie du mich hereingelegt hast – wie du mich all die Jahre auf der Schule an der Nase herumgeführt und mich vor ihm lächerlich gemacht hast – aufgespürt hatte, da besaßt du ja nicht einmal den Anstand zu leugnen, dass du seinen Wildhüter kaltblütig erschossen hast.«
»Du hast es gerade wieder bewiesen«, erwiderte Jamie leise. »Wenn ich es erst abstreiten muss, dann kennst du mich überhaupt nicht.« Er konnte Emmas Blick fast auf seinem Rücken fühlen, denn er wusste, sie verfolgte ihren Wortwechsel genau, auch wenn sie nicht hören konnte, was sie sagten. »Ich bin nicht hergekommen, um mit dir zu streiten. Ich bin gekommen, um meinen Teil unserer Abmachung einzuhalten. Wie du sehen kannst«, sagte er und deutete mit einer Kopfbewegung zu der Stelle, wo sie geduldig neben seinem Pferd wartete. »Miss Marlowe ist unversehrt und bereit, dich zu begleiten.«
Unversehrt, aber nicht unberührt.
Jamie musste kurz die Augen schließen, als er im Geiste Bons übermütige Stimme hörte und er wieder Emma vor sich sah, wie sie nackt unter ihm auf den Decken gelegen hatte, die
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