Eine verlockende Braut: Roman (German Edition)
war bereits aufgesessen, als Emma aus den Ruinen des Klosters trat. Mit perversem Gespür für den richtigen Zeitpunkt hatte die Sonne beschlossen, sich zum ersten Mal seit Tagen wieder zu zeigen, bannte den letzten Rest des Nebels aus der Luft und verlockte die Vögel auf den knospenden Zweigen der Bäume und Büsche um sie herum zu hoffnungsvollem Gezwitscher.
Aber die schrägen Strahlen der Morgensonne vermochten ihn nicht zu wärmen. Trotz der sauberen weißen Wolken, die über den strahlend blauen Himmel trieben, hatte sich in ihm eine Kälte breitgemacht, die ihm das Gefühl gab, als lauerte der Winter hinter dem Horizont im Süden statt der Frühling.
Er saß reglos im Sattel und beobachtete, wie Emma die Lichtung überquerte. Muiras Umhang lag um ihre Schultern. Sie hatte den Lederstreifen, den er ihr gegeben hatte, dazu verwendet, ihre ungebärdigen Locken im Nacken zusammenzubinden, so wie sie das Wasser dazu benutzt hatte, das er über dem Feuer gewärmt hatte, um sich seinen Geruch abzuwaschen.
Anders als das Kloster, das verfallen hinter ihr lag, wirkte sie auf ihn nicht ruiniert. Ihre sommersprossigen Wangen waren gerötet, ihre Lippen noch ein wenig geschwollen von seinen Küssen und ihre Augen einladend verschlafen. Sie sah einfach herrlich … unruiniert aus. Jamie verspürte eine sengende Wut in sich, wenn er daran dachte, dass sie in den Augen der Gesellschaft nun durch seine Berührung verdorben war, während sie von innen heraus leuchtete wie etwas, das so kostbar und erlesen war, dass es ihn in den Augen schmerzte, sie anzusehen.
Er hatte sie einmal damit aufgezogen, dass er behauptet hatte, der Hepburn werde vermutlich darauf bestehen, dass sie von seinem Arzt untersucht werde, um herauszufinden, ob sie es noch wert war, seine Braut zu sein. Jetzt weckte die Vorstellung, ein Fremder könnte sie berühren, selbst mit so rein sachlichem Interesse, in Jamie den heftigen Wunsch, etwas mit seinen Fäusten zu zerschmettern.
Als sie sich dem Pferd näherte, blickte sie sich mit besorgter Miene auf der verlassenen Lichtung um. »Wo sind Bon und die anderen Männer?«
»Sie warten seit vor dem Morgengrauen am Treffpunkt. Du wirst sie nicht sehen. Und mit ein bisschen Glück auch Hepburns Männer nicht.«
Er hielt ihr die Hand hin, und sie wussten beide, es war zum letzten Mal.
Als sie sich hinter ihm in den Sattel setzte und ihre schlanken Arme um ihn schlang, war sich Jamie wie nie zuvor des kalten Gewichts der Pistole an seinem Bauch bewusst. Oder der Jahrhunderte voller Hass und Gewalt, die sie hierhergebracht hatten.
Einen wilden verzweifelten Moment war alles, was er tun wollte, das Pferd zu einem Galopp anzutreiben und so schnell und so weit zu reiten, wie er nur konnte, sie an einen sicheren Zufluchtsort zu bringen, wo Hepburn sie niemals würde finden können. Aber er war nicht so naiv oder so töricht wie seine Eltern.
Er wusste, dem Schicksal konnte man nicht entrinnen, und er konnte nirgendwohin fliehen, um der Vorsehung zu entkommen.
Als Jamie und Emma von Norden in die Mündung der langen schmalen Schlucht ritten, schien das fröhliche Vogelgezwitscher in den umstehenden Bäumen sie zu verspotten. Jamie hatte den Ort für den Austausch mit Bedacht gewählt. Vögel waren nicht die einzigen Wesen, die sich hinter den üppigen grünen Zweigen der Kiefern verbargen, die die Schlucht zu beiden Seiten säumten. Seine eigenen Männer waren dort ebenfalls versteckt, die Pistolen und Bogen gezückt und schussbereit. Wenn sie irgendein Zeichen von Verrat erspähten, wären sie imstande zu schießen, bevor Hepburns Männer auch nur die Waffen ziehen konnten, und könnten dann in die Berge fliehen, ohne eine Spur zu hinterlassen.
Jamie war nicht überrascht, ein halbes Dutzend der kräftigsten Handlanger Hepburns auf Pferden verstreut auf den Hängen am südlichen Ende der Schlucht zu entdecken. Sie gehorchten schlicht seiner eigenen Anweisung an Hepburn, ihnen nicht zu erlauben, näher zu kommen.
Es überraschte ihn jedoch, mitten in der Schlucht Ian Hepburn selbst aufrecht und gerade, mit wehendem Haar auf dem Rücken eines kastanienbraunen Wallachs zu sehen. Sein schneeweißes Halstuch und der gut geschnittene maulbeerfarbene Rock wirkten fast, als sei er auf dem Weg zum Tee bei einer Herzogin, statt ein Lösegeld zu überbringen.
Jamie hatte damit gerechnet, dass Hepburn seinen Wildhüter schickte, nicht jedoch seinen Neffen. Das war eine Entwicklung, die er nicht berücksichtigt
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