Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eine Versammlung von Krähen (German Edition)

Eine Versammlung von Krähen (German Edition)

Titel: Eine Versammlung von Krähen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Keene
Vom Netzwerk:
müssen ihn im Dunkeln trinken.«
    »Schon gut«, meinte Myrtle mit vergnügter Stimme. »Mir gefällt das Ambiente.«
    »Na, Gott sei Dank. Meine Taschenlampe funktioniert nämlich nicht.«
    »Wann hast du zuletzt die Batterien gewechselt?«
    »Keine Ahnung.«
    »Ich wechsle meine sicherheitshalber zweimal im Jahr. Man kann gar nicht vorsichtig genug sein.«
    Esther zuckte die Achseln. »Egal, dann machen wir es uns eben bei Kerzenlicht gemütlich.«
    Sie bewegte sich durch das Zimmer und zündete eine Reihe von Votiv- und Zierkerzen an, die zwischen Nippes in verschiedenen Regalen und auf Beistelltischen verteilt standen. Bald erfüllten ein sanfter Schimmer und die konkurrierenden Düfte von Geißblatt, Erdbeere, Zimt, Vanille und Pfefferminz den Raum. Seufzend nahm Esther Platz und erklärte ihren Tee nach einem probeweisen Nippen als zu heiß zum Trinken.
    »Was hat der Stromversorger gesagt?«, erkundigte sich Myrtle. »Hat man dir eine Prognose gegeben, wie lange die Behebung der Störung dauern mag?«
    »Ich konnte nicht anrufen. Die Telefonleitungen sind ebenfalls tot.«
    »Also das ist ja merkwürdig.«
    »Das ist es, meine Liebe.«
    »Sollen wir nach deinem Pensionsgast sehen?«, fragte Myrtle.
    Esther schüttelte den Kopf. »Nein, ich bin sicher, es geht ihm gut. Ich vermute, der arme Mann schläft bereits. Er ist den ganzen Tag mit diesem Pferdewagen durch die Gegend gefahren. Mir kam er ziemlich müde vor, als er eintraf, und er bat mich ausdrücklich darum, nicht gestört zu werden. Du hast es ja selbst mitbekommen.«
    »Ich weiß. Trotzdem …«
    »Du willst ihn doch nur mit deinen Fragen löchern, Myrtle. Sei ehrlich.«
    »Na ja, du etwa nicht? Du kannst mir nicht einreden, dass du nicht genauso fasziniert bist wie ich.«
    »Sicher interessiert mich seine Geschichte auch, aber ich habe nicht vor, ihn damit zu behelligen. Nicht heute Abend. Er ist erschöpft. Außerdem ist er schließlich nicht der erste Amish, den wir kennenlernen. Oben, in der Nähe von Punkin Center, gibt es eine ganze Siedlung.«
    »Ich dachte, das wären Mennoniten.«
    »Ist das nicht dasselbe?«
    »Das glaube ich kaum.« Myrtle runzelte die Stirn. »Mennoniten dürfen Autos und Lastwagen verwenden. Nur die Amish bestehen darauf, ausschließlich in Pferdewagen herumzukutschieren. Ich glaube, es sind verschiedene Ausprägungen desselben Glaubens. Wie bei den Methodisten und Lutheranern.«
    Esther schaltete innerlich ab. Sie war ihr Leben lang Presbyterianerin gewesen und interessierte sich wenig für andere Glaubensgemeinschaften, erst recht nicht für solche, die in Hinblick auf die Auslegung der Bibel falsch lagen.
    »Und genau darum geht es mir«, fuhr Myrtle fort. »Es wäre faszinierend, mit ihm zu sprechen – um mehr über seinen Glauben zu erfahren. Weißt du, die Amish sind ein ausgesprochen spirituelles Volk.«
    Esther probierte erneut ihren Tee und stellte fest, dass er ausreichend abgekühlt war. Sie trank einen Schluck und seufzte.
    »Du vergisst dabei etwas«, sagte sie. »Als er eingecheckt hat und du danach fragtest, stellte er unmissverständlich klar, dass er kein Amish ist.«
    Myrtle schwenkte die Hand in einer wegwerfenden Geste. »Wie erklärst du dir dann seine Kleidung und seinen Bart? Und warum sonst ist er mit einem Pferdewagen aufgekreuzt? Wäre schon höchst eigenartig, wenn er auf diese Weise reist und kein Amish ist.«
    »Viele Männer tragen Bärte. Und ich wage zu behaupten, dass er nicht der Einzige in der Gegend ist, der ein Pferd benutzt.«
    »Was für eine Adresse hat er beim Einchecken angegeben?«
    »Das sind vertrauliche Daten, Myrtle. Ich kann es dir nicht verraten.«
    »Ach, Unsinn. Das hat dich in der Vergangenheit auch nie davon abgehalten, Klatsch zu verbreiten.«
    Esthers Stirnrunzeln vertiefte sich. Myrtle war ihre nächste Nachbarin und wohl auch ihre beste Freundin. Trotzdem gefiel es ihr nicht, wenn man so mit ihr redete – obwohl sie wusste, dass Myrtle recht hatte.
    »Marietta, Pennsylvania.«
    »Ich kenne die Gegend«, sagte Myrtle. »Ich habe in einem meiner Bücher darüber geschrieben. Früher war dort indianische Magie sehr verbreitet.«
    »Da haben wir’s wieder. Du und deine New-Age-Bücher.«
    »Mach dich nicht darüber lustig. Ich bestreite immerhin meinen Lebensunterhalt damit.«
    Myrtle klang ein wenig beleidigt. Esther spielte mit dem Gedanken, sich zu entschuldigen, entschied sich jedoch dagegen. Sie wusste nur allzu gut, dass Myrtles Pamphlete, die sie im

Weitere Kostenlose Bücher