Eine Versammlung von Krähen (German Edition)
die Einzigen sein, die versuchten, aus der Stadt zu fliehen.
Seine Gedanken kehrten zu Stephanie zurück. Er betrachtete ihre Silhouette durch Sams Heckfenster. Sobald diese schreckliche Sache ausgestanden war, würde er ihr sagen, was er für sie empfand. Es wurde höchste Zeit. Das Leben war zu kurz. Früher hatte er darüber nicht näher nachgedacht. Sicher, er kannte Menschen, die gestorben waren – seine Großeltern, und ein Freund von ihm hatte in der vierten Klasse den Kampf gegen Leukämie verloren. Aber das war nicht mit den Todesfällen dieser Nacht zu vergleichen. Steph musste erfahren, was er für sie empfand, ganz gleich, wie die Konsequenzen aussehen mochten. Hoffentlich würde Sam es verstehen und nichts dagegen haben.
Ein Stück hinter der Garage passierten sie einen Mazda-Pick-up mit auswärtigem Kennzeichen, der am Straßenrand abgestellt war. Vor dem Wagen befand sich ein kleiner Haufen Asche, der aufgewirbelt wurde, als sie daran vorbeirasten. Randy beobachtete ihn im Rückspiegel. Er richtete den Blick wieder nach vorn und wollte gerade einstudieren, was er zu Steph sagen würde …
… als Sams Auto implodierte.
Es geschah so plötzlich, dass Randy die Eindrücke zuerst gar nicht verarbeiten konnte. In einer Sekunde sausten sie an dem Schild vorbei, das sie aus Brinkley Springs verabschiedete, im nächsten schien es, als wäre Sams Nissan gegen eine unsichtbare Mauer geprallt. Ein erschreckend lautes Kollisionsgeräusch ertönte, und das Auto wurde unter dem gequälten Kreischen von Metall und Verbundstoffmaterial zusammengequetscht – begleitet von Sams und Stephanies entsetzten Schreien. Der Lärm hielt nur eine Sekunde lang an. Dann wurde der Motorblock durch die hintere Stoßstange herausgepresst.
Randy stieg in die Bremsen und riss das Lenkrad herum. Er spürte, wie der Wagen beinahe umkippte, als er scharf seitwärts schlitterte und nur Zentimeter von dem Wrack entfernt zum Stehen kam. Er stieß die Tür auf und sprang hinaus. Der Nissan war nicht mehr als solcher zu erkennen. Dasselbe galt für seine Freunde. Noch an diesem Abend hatten sie in seinem Zimmer gesessen, Musik gehört, Videospiele gespielt, gelacht, geredet und geatmet. Sie hatten Arme, Beine, Köpfe und Haare besessen. Er weigerte sich, zu glauben, dass die Fetzen rohen, triefenden Fleisches, die sich über das Wrack verteilten, alles darstellten, was von ihnen übrig geblieben war. Vorsichtig näherte er sich den Trümmern und brüllte Stephanies Namen. Unter seiner Sohle knirschte etwas. Randy hob den Fuß und erstarrte. Er war auf einen Finger getreten. Ob er Steph oder Sam gehört hatte, vermochte er nicht zu sagen.
Randy krampfte sich zusammen, würgte und übergab sich. Erbrochenes spritzte auf seine Schuhe und landete dampfend auf der Straße. Er holte tief Luft, schrie und spuckte erneut. Sein Magen schien sich zu verknoten, und ein unkontrolliertes Zucken lief durch seinen Körper. Er erbrach ein drittes Mal, dann versuchte er keuchend, zu Atem zu gelangen. Randy roch Benzin, Motoröl und Blut.
Er taumelte rückwärts, entfernte sich vom Wrack. Weiße Rauchschwaden stiegen davon auf … dann jedoch erkannte er, dass es sich gar nicht um Rauch handelte. Das zerknitterte Metall, der zerbrochene Kunststoff und der Gummi brannten nicht. Bei den Schwaden handelte es sich um etwas anderes. Es waren zwei … dünne, durchscheinende weiße Ranken. Wie ein Atemzug an einem eiskalten Wintertag. Die Schwaden kräuselten sich über der Unfallstelle wie Zigarettenqualm und stiegen langsam höher. Ein Lichtblitz, bei dem Randy an den Insektenvernichter im hinteren Garten seiner Eltern denken musste, zuckte über den Horizont. Die beiden weißen Schwaden zogen sich zusammen und lösten sich auf. Der gesamte Himmel leuchtete für einen Moment blau auf, dann kehrte die Dunkelheit zurück.
»Was um alles in der Welt war das? Was zum Henker ist hier los?«
Mit rauer Kehle und fast vollständig zugeschwollenen Augen stürzte Randy davon. Er wollte diesem neuerlichen Grauen so schnell wie möglich entkommen. Nach wenigen Schritten hielt er inne. Was, wenn er aus vollem Lauf gegen dieselbe unsichtbare Barriere prallte, die seine Freunde aufgehalten hatte?
Er schaute zurück zum Wrack. Seine Sicht verschwamm, und die Welt begann, sich vor seinen Augen zu drehen. Randys Schluchzen verstummte, als er nach hinten kippte, mit dem Kopf auf dem Asphalt aufschlug und das Bewusstsein verlor.
Donny ging der Kuss durch den Kopf. Er
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