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Eine Versammlung von Krähen (German Edition)

Eine Versammlung von Krähen (German Edition)

Titel: Eine Versammlung von Krähen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Keene
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dachte daran, wie warm Marshas Lippen gewesen waren, wie verlockend sie geschmeckt hatte. Wie es sich anfühlte, als ihre Zunge über seine glitt. Wie ihr Atem sein Gesicht liebkoste. Eigentlich wollte er es gar nicht – er sollte sich besser darauf konzentrieren, dass sie beide am Leben blieben, aber er konnte einfach nicht anders. Der Kuss rief alle möglichen Erinnerungen wach, von denen er geglaubt hatte, sie wären ein für alle Mal begraben. Donny verspürte Enttäuschung und Wut auf sich selbst. So wunderbar der Kuss gewesen sein mochte, er würde alles nur noch komplizierter machen. Marsha fiel es schwer genug, sich mit dem Gedanken an seinen Weggang anzufreunden. Und wenn diese Krise ausgestanden war, plante er nach wie vor, die Stadt zu verlassen.
    Marsha sog scharf die Luft ein und drückte fest seine Hand.
    Donny sah sie an, dann folgte er ihrem Blick.
    Das Erste, was er bemerkte, war der Leichnam, der mitten auf der Straße lag. Trotz der entsetzlichen Verletzung im Intimbereich bot er keinen so grausamen Anblick wie einige andere Tote, die sie in dieser Nacht gesehen hatten – dafür eindeutig den sonderbarsten. Der Körper war in dieselbe Haltung gebracht worden wie da Vincis Zeichnung des vitruvianischen Menschen, den einer von Donnys Soldatenkameraden als Tätowierung auf dem Bizeps getragen hatte. Um den Leichnam war mit Kreide ein ominöser Kreis gezogen worden, verziert mit vier Punkten und einigen bizarren Symbolen, die er nicht zuordnen konnte.
    Das Zweite, was Donny wahrnahm, war der dunkelhaarige Mann, der sich über den Leichnam beugte. Donny kannte ihn nicht, und an Marshas Gesichtsausdruck konnte er ablesen, dass es ihr genauso ging. Die Art seiner Kleidung und sein langer zotteliger Bart kennzeichneten ihn als Amish. Donny empfand das als seltsam. Seines Wissens befand sich die nächstgelegene Amish-Gemeinde in der Nähe von Renick. Er schätzte den Mann auf Mitte 30. Sein Teint und sein Körperbau wirkten jünger, die Augen hingegen älter. Seiner Miene nach zu urteilen, war der Fremde genauso erschrocken wie sie selbst. Dann bemerkte Donny das Blut. Es klebte überall an dem Mann – an der Kleidung und auch im Gesicht. Seine Hände waren völlig rot, insbesondere seine rechte.
    »Auch wenn es so aussehen mag. Ich habe ihn nicht getötet, falls Sie das glauben.«
    Der Akzent bestätigte, was Donny bereits vermutet hatte. Der Mann stammte nicht aus Brinkley Springs, nicht einmal aus West Virginia. Es handelte sich zweifellos um einen Nordstaatler. Donny ordnete den Akzent Pennsylvania zu.
    »Ich würde Ihnen gerne glauben«, gab Donny zurück. »Allerdings haben Sie ziemlich viel Blut an den Händen.«
    Der Amish blickte auf seine Handflächen hinab, dann zurück zu ihnen. Auf seine Miene trat ein wehmütiger Ausdruck.
    »Ja, das stimmt. Zu viel Blut, fürchte ich. Sie haben ja keine Ahnung.«
    Donny nickte in Richtung der Leiche. »Sieht aus, als wäre dem Kerl der Pimmel mit allem Drum und Dran ausgerissen worden. Ich glaube nicht, dass Sie zu so etwas fähig sind.«
    »Nein, natürlich nicht. Aber ich schätze, Sie haben keinen Grund, mir Glauben zu schenken.«
    »Ich habe nicht behauptet, dass Sie es waren. Nichts für ungut, aber Sie sehen mir nicht stark genug für eine solche Bluttat aus. Aber um Ihre Frage zu beantworten – nein, ich glaube tatsächlich nicht, dass Sie es getan haben. Wir haben diejenigen gesehen, die dafür verantwortlich sein könnten.«
    In den Fremden kam plötzlich Bewegung. Er trat einen Schritt auf sie zu, und Marsha rückte näher an Donny heran. Ihr Griff um seine Hand verstärkte sich. Er schlang schützend einen Arm um sie.
    »Sie haben gesehen, wer das getan hat?« Der Tonfall des Fremden klang aufgeregt.
    »Ich vermute jedenfalls, dass es dieselben Leute waren.«
    »Wo? Wie lange ist das her?«
    Donny zuckte mit den Schultern. »Vielleicht zehn Minuten. Da hinten in dieser Richtung. Deshalb fliehen wir in die entgegengesetzte.«
    »Zeigen Sie mir die Leute.«
    »Scheiße, nein. Vertrauen Sie mir, Mister. Das Letzte, was Sie wollen, ist, sich mit diesen Typen anzulegen.«
    »Es ist mehr als einer?«
    Donny nickte.
    »Wie viele?«
    »Wir haben zwei gesehen«, meldete sich Marsha zu Wort. »Ganz in Schwarz gekleidet. Sie tragen altmodisches Zeug, als wären sie Pilgerväter oder so.«
    Der Fremde runzelte die Stirn und wirkte verwirrt.
    »Wieso interessiert Sie das überhaupt?«, wollte Donny wissen.
    »Weil es irgendjemanden interessieren muss. Weil

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