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Eine Versammlung von Krähen (German Edition)

Eine Versammlung von Krähen (German Edition)

Titel: Eine Versammlung von Krähen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Keene
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Berührung kamen.
    Nach der Menge der Energie zu urteilen, die der Käfig abstrahlte, hielt er bereits viele Seelen gefangen. Levi überlegte, ob es ihm möglicherweise gelang, die Gitter zu zerstören, bevor seine Erschaffer sich am Inhalt laben konnten, doch dann entschied er sich dagegen. Er hielt es für besser, sich die Kräfte für die Hauptaufgabe aufzusparen, statt sie auf den Käfig zu verschwenden. Im Erfolgsfall würden die im Käfig gefangen gehaltenen Seelen ohnehin befreit. Er hoffte, dass es noch nicht zu spät für jene Seelen war, welche die Wesen direkt verspeist hatten.
    Die Leichen, die noch vor einigen Stunden die Straßen säumten, waren verschwunden. Einige kleine Aschehaufen bemerkte er, doch auch diese waren überwiegend vom kräftigen Wind weggeblasen worden. Levi verlangsamte die Schritte, als sie den Henkersbaum passierten, den Randy erwähnt hatte. Die Schnitzerei hob sich deutlich von der Rinde ab: CROATOAN.
    In welcher Relation stand das Wort zu den Vorgängen in Brinkley Springs? Die Methoden und das Ziel – das Auslöschen sämtlicher Lebewesen in einer Kleinstadt – entsprachen denen von Meeble, aber offensichtlich hatten sie es doch mit einem anderen Gegner zu tun. Was steckte dahinter? Unwillkürlich stellte sich Levi ihr Dilemma als Puzzlespiel vor. In der Mitte klaffte ein Loch, und bis er auf die fehlenden Teile stieß, würde er das vollständige Bild nicht erkennen. Irgendwie standen die Wesen, die hier wüteten, mit Meeble und den Dreizehn in Verbindung. Die Frage lautete: Wie?
    Seine Gedanken schweiften zu Wiedergängern und Totengeistern ab. Konnten die schwarzen Gestalten einer dieser beiden Gruppen angehören? Ein Totengeist war, wie die Bezeichnung schon andeutete, der schattige Geist eines Toten. Der Begriff schien in mehreren Quellen aufzutauchen, unter anderem in Homers Odyssee und Dantes Göttlicher Komödie . In der griechischen Mythologie lebten die Toten dauerhaft in den Schatten der Unterwelt. Die hebräische Version eines Totengeists nannte sich Tsalmaveth, was frei übersetzt »Todesschatten« bedeutete.
    Während die Wesen zweifellos einige Eigenschaften von Totengeistern aufwiesen, glaubte er nicht, dass diese Annahme ins Schwarze traf. Ebenso wenig schienen sie die Definition eines Wiedergängers zu erfüllen. Andererseits wusste er, dass die Kriterien nicht eindeutig waren. So wurde der Begriff unter anderem für Kreaturen verwendet, die keine Wiedergänger im eigentlichen Sinne, sondern Siqqusim darstellten – eine Rasse von Wesen, die in der Lage waren, die Körper von Toten in Besitz zu nehmen. Als Ishtar und Ereshkigal in der akkadischen Literatur drohten, »die Toten zu erwecken, auf dass sie die Lebenden fressen und die Zahl der Toten die der Lebenden übersteigt«, bezogen sie sich darauf, Siqqusim in Leichen hineinzubeschwören. In Wirklichkeit handelte es sich um Zombies, nicht um Wiedergänger, doch dieser Unterschied fand bei ihnen keine Berücksichtigung.
    Mittelalterliche Wiedergänger erinnerten schon eher an das, womit Levi sich derzeit konfrontiert sah. Er dachte an die anglonormannischen Aufzeichnungen des William von Newburgh, den Chronisten Walter Map, den Abt von Burton und den Bischof Gilbert Foliot sowie an die späteren Schriften von Augustus Montague Summers. Wenngleich die Beschreibungen voneinander abwichen, stimmten sie insofern überein, als dass Wiedergänger, die von den Toten auferstanden, als gottlos und böse galten. Die einzige Möglichkeit, sie zu zerstören, bestand laut den Verfassern darin, ihre Körper zu exhumieren, ihnen den Kopf abzuschlagen, das Herz zu entfernen und in weiterer Folge zu verbrennen.
    Konnte es sein, dass seine Feinde eine neue Form von Wiedergängern verkörperten, einen Okkultisten bislang unbekannten Typus? Falls ja, wie sollte er sie besiegen?
    Er grübelte immer noch darüber nach, als er die Schreie hörte. Ohne ein Wort zu verlieren, stürzten Levi und Donny der Quelle des Lärms entgegen. Ihre Schritte pochten über den Asphalt wie ein Takt zur Melodie des Gebrülls. Sie bogen um eine Ecke, gelangten in eine andere Straße und stießen auf ein Haus, das unter Belagerung zu stehen schien.
    »Dort wohnt Axel Perry«, sagte Donny.
    Die fünf dunklen Gestalten hatten das Gebäude umzingelt.
    Zwei befanden sich im Vorgarten. Eine hatte gerade einem unglückseligen Opfer das Gesicht weggefetzt. Der Körper des Mannes lag zuckend im nassen Gras. Drei weitere Männer standen auf der Veranda und

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