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Eine Vielzahl von Sünden

Eine Vielzahl von Sünden

Titel: Eine Vielzahl von Sünden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Ford
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sein konnte, nämlich sie. Wogegen er nichts hatte. Wenn man eine einzige Situation in seinem Leben hatte, die ohne unglückliche Überraschungen auskam und halbwegs gut funktionierte – wie seine Eltern zum Beispiel, dreißig Jahre lang –, dann war man ein Glückspilz. Seine eigene Ehe gehörte, alles in allem, vielleicht auch zu diesen Seltenheiten. Er war nicht darauf aus, Frances Bilandic zu Nummer zwei zu machen. Wenn sie bloß nicht so ernsthaft wäre. Sie wussten doch beide, was sie taten.
    Frances hatte winzige Kinderhände – aber stark waren sie, mit tiefen Runen in den Handflächen. Wie von einem alten Menschen. Als er sie gehalten hatte, im Bett im Howard Johnson’s, war ihm ganz zärtlich zu Mute geworden, als würden ihre Hände sie machtlos machen gegenüber jemandem von seiner ungewöhnlichen Größe. Er ergriff ihre beiden kleinen Hände und umschloss sie, während die Sattelschlepper über die Fahrbahnschwellen der I-95 donnerten. Sie war so klein – ein zähes, sinnliches kleines Paket, aber auch ein explosives kleines Paket, wenn man nicht ordentlich durchgriff.
    »Sei doch nicht sauer auf mich«, sagte er und zog sie an sich heran. Ihre kräftigen kleinen Kugelbrüste trafen auf sein kastanienbraunes T-Shirt, Pawcatuck-Parks und ihre Erholungsgebiete.
    »Ich hab so was noch nie gemacht, okay?«, sagte sie fast unhörbar, ließ sich aber heranziehen. Sie mussten ja nicht ineinander verliebt sein, aber zärtlich konnten sie doch miteinander umgehen. Was sollte das Ganze sonst? (Er glaubte ihr kein Stück, dass sie so was noch nie gemacht hätte. Bei ihm dagegen stimmte es tatsächlich.)
    »Gleichfalls«, sagte er. Aber das war egal. Er wollte nur sichergehen, dass sie es möglichst bald wieder machten.
    Einer der großen Sattelschlepper hupte von oben runter. Sie standen draußen auf dem heißen Parkplatz, um zwei Uhr nachmittags an einem Dienstag Anfang September. Das war süß und rührend, aber auch vollkommen bescheuert, denn das Weiboldt-Büro von Mystic lag nur fünf Blocks entfernt. Irgendein Makler hätte Kunden vom Motel abholen und sie sehen können. Irgendeiner quatschte, und dann war blitzartig alles vorbei. Wumm … kein Job mehr. Nichts hätten ihre Kollegen lieber gesehen, als wenn zwei »Makler des Jahres« gefeuert worden wären und sie ihre Kundenkartei hätten übernehmen können. Und weswegen? Wegen eines kleinen Missverständnisses darüber, dass Frances gut im Bett war – was sie einfach war. Mit einem Mal wurde ihm unbehaglich dabei, sie draußen im Freien zu berühren, und er ließ sie los und sah sich auf dem Parkplatz um. Nichts. »Vielleicht sollten wir wieder reingehen«, sagte er. »Wir haben das Zimmer noch für den Rest der Nacht.« Er wollte eigentlich nicht – er wollte lieber zu einer Verabredung in White Rock. Aber wenn das Schicksal es verlangte, würde er schon ins Zimmer zurückgehen. In Wahrheit wäre ein Teil von ihm – ein kleiner Teil – am liebsten einfach ins Auto gestiegen, hätte Frances Bilandic neben sich gesetzt, die Interstate genommen, wäre nach Süden gefahren und nie wieder zurückgekehrt. Den ganzen tristen Scheiß im Staub liegen lassen. Das könnte er bringen. Und sich später ums Kleingedruckte kümmern. Leute, die so was machten, bewunderte er immer, obwohl man eigentlich nie hörte, wie ihr Leben danach lief.
    »Ich glaub, wenn ich in das Zimmer zurückgehe, komme ich die nächste Woche nicht wieder raus«, sagte Frances und drehte sich nach der grünen Tür des Motelzimmers um. Sie legte ihre raue kleine Hand schamlos auf seinen immer noch steifen Schwanz und kniff einmal fest zu. »Das würde dir schon gefallen, was?«
    »Spricht wohl einiges dafür«, sagte Howard feierlich.
    »Wollte nur mal kurz nach Garfield schauen«, sagte Frances hinter ihrer Sonnenbrille. »Ich heb ihn mir für Phoenix auf. Wie wäre das?«
    »Ich kann’s kaum erwarten.« Howard merkte, dass er grinste wie ein Idiot.
    »Würd ich dir aber auch empfehlen«, sagte Frances. »Ich merke das genau.«
    Und dabei beließen sie es.
    Der Maklerkongress, der auf die jetlagverschwommenen Partys und die geistlose Kameraderie des ersten Tages folgte, entwickelte sich fast schlagartig zu einer einzigen Plackerei. Frances stolperte immer wieder über die großmäuligen Lesben aus Jersey, die jedes Mal die Pointe des schon zwanzigmal erzählten Witzes vom Vorabend wiederholten. »Luc?mich? Ein russischer General, Soldat, was sonst?« Den Spruch krähten sie im

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