Eine Vielzahl von Sünden
unbequemen Hotelsesseln an einem hölzernen Beistelltischchen gegenübersaßen und nichts anderes taten, als die Ereignisse des Tages durchzugehen, obwohl ihr Tag hundertprozentig identisch gewesen war.
Frances redete gern über Immobilien. Zu ihrer Überraschung hatte ihr der Abend mit den »Garden-State-Lesben« Spaß gemacht, sie hatte ein paar neue Ideen über Telefonmarketing-Strategien in einkommensschwachen und ethnisch unvermischten Gegenden aufgeschnappt und festgestellt, dass sie der Runde selber auch einige nützliche Erkenntnisse zu bieten hatte, etwa wie man Anzahlungsregelungen entwarf, in denen der Käufer die komplette Kaufsumme vorab anbot, aber bis zum Vertragsabschluss geschützt war und ohne Schrammen wieder rauskam, falls er es sich doch noch anders überlegte. Sie erzählte, sie habe sich, nach einem Arbeitsunfall, den ihr Mann Ed zu einem unbestimmten früheren Zeitpunkt erlitten hatte, mit einer nicht genauer benannten Verletzung und daraus folgender Arbeitsunfähigkeit (er war schon »älter«), in den Beruf der Maklerin stürzen müssen, obwohl sie viel lieber Physiotherapeutin geworden wäre und am liebsten in Frankreich gearbeitet hätte. Es war einfach ein glücklicher Zufall, fand sie, dass sich herausgestellt habe, wie »verdammt gut im Verkaufen« sie sei.
Howard dagegen hatte (zu diesem Geständnis war es schon in der dunklen kleinen Chef-und-Sekretärin-Bar gekommen, nach dem Bankett im Juli) das Verkaufen von Immobilien als »Übergangsstrategie« angesehen zwischen seinem ersten Job nach dem College (Schulhofaufseher) und einer stärker unternehmerisch orientierten Zukunft, in der Reisen vorkamen, ein Motivationsbonus und ein Firmenwagen. Seine ganze Familie bestand aus lebenslangen Republikanern, zwei seiner Brüder waren Straßenbauingenieure in New London unten und überlegten, ihn da mit reinzunehmen. Das einzige Problem war nur, dass er mit diesen Brüdern gar nicht so gut auskam und dass seine Frau Mary sie überhaupt nicht leiden konnte. Weshalb er immer noch Häuser verkaufte.
Frances hatte eine Flasche nicht sehr kalten, nicht sehr guten Pinot Grigio mitgebracht, die schwitzend auf dem Hoteltisch stand, flankiert von zwei durchsichtigen Plastikbechern aus dem Bad. Der riesige dunkle Wüstenkoloss von Phoenix lag gen Osten hinter dem Fensterglas – fahrende Autos, Flugzeuge, die zu lichtmarkierten Landebahnen hinabsanken, blau blinkende Polizeiblinklichter, große ummauerte Viertel, die einzelne Flicken der Nacht mit ihrer Anti-Einbruchs-Beleuchtung kürbisorange sprenkelten. Es war exotisch. Es war der Westen. Keiner von ihnen war je hier gewesen, aber Howard sagte, er hätte gelesen, dies sei die amerikanische Stadt, in der einem am allerwahrscheinlichsten das Auto gestohlen würde.
Frances mochte Howard Cameron. In ihrer betrunkenen, jetlaggestörten und leergequasselten Stimmung gefiel es ihr, dass er diesen Sinn für Humor aufbrachte, genauso aber einfühlsame Zuwendung zeigen konnte – diesmal zum Beispiel, indem er sich nicht über sie erhob, weil sie in seinem Zimmer aufgetaucht war, dabei waren sie seit dem Bankett schon an vier verschiedenen Nachmittagen in vier verschiedenen Küstenstädten zusammen im Bett gewesen. Er verstand etwas von Rücksicht (obgleich sie davon ausging, dass er genauso vor Begierde platzte wie sie). Außerdem erkannte er die heikle Situation, in der sie sich befanden, und dass sie sich deshalb womöglich gestresst fühlte. Sicher, er war im Begriff, seine Frau zu Hause in Pawcatuck zu betrügen; aber er wirkte auch wie ein anständiger Familienvater mit einem ausgeprägten Gefühl für Richtig und Falsch, der eigentlich niemandem wehtun wollte. So ging es ihr auch. Es war delikat. In irgendeinem Lehrbuch gab es vermutlich eine Kategorie für das, was sie mit ihrem Herumeiern gerade taten, aber sie konnte noch nicht sagen, welche es war.
Sie hob ihre Augen etwas benebelt von den glitzernden Achtecken des protzigen Phoenix in die milchige, mondlose Dunkelheit, wo sich das Gesicht von Howards Frau Mary, das sie noch nie gesehen hatte, nicht mal auf einem Schnappschuss, aus den dunklen Wolken heraus materialisierte wie ein Foto in der Entwicklerflüssigkeit. Das Gesicht gehörte einer jungen, süßen Blondine, wie sie selbst eine war, deren ovale Züge und kleiner herzförmiger Mund einen Ausdruck der Enttäuschung trugen, ihre Augen waren groß und betrübt und drückten unmissverständlich Verletztheit aus.
»Das stimmt«, sagte
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