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Eine Vielzahl von Sünden

Eine Vielzahl von Sünden

Titel: Eine Vielzahl von Sünden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Ford
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nicht mit dem Thema Howard Cameron anstacheln. Ihr wurde klar, dass sie nicht hätten gemeinsam herkommen sollen.
    Aber sie hatte eine gute Idee und wollte Howard dafür einspannen, falls sie bis Mitte der Woche immer noch so heiß und heftig drauf waren. Es machte mehr Spaß, gemeinsam Sachen zu unternehmen, und sie mochte Howard immer noch genug, auch wenn er ein paar Eigenschaften hatte, die ihr jetzt schon auf die Nerven fielen. »Weißt du, was wir meiner Meinung nach tun sollten?« Sie wollte spontan wirken, auch wenn die Idee so ungewöhnlich gar nicht war. Sie lächelte beim Versuch, in seine Gedanken einzudringen, egal, welche es waren – Sport, Sex, seine Eltern, seine Frau – egal.
    »Komm, wir gehen rauf in mein Zimmer«, sagte Howard. »War das deine Idee?«
    »Nein, ich meine tun ganz konkret.« Sie klopfte mit einem Mittelfinger auf den Rücken seiner großen Hand, um mehr Aufmerksamkeit von ihm zu bekommen. »Ich möchte den Grand Canyon sehen«, sagte sie. »Ich habe ein Buch darüber mitgebracht. Ich wollte ihn immer schon sehen. Willst du mitkommen?« Sie versuchte, ihn hoffnungsvoll anzustrahlen.
    »Liegt der in Phoenix?« Howard schaute verwirrt drein, seine Art, Überraschung an den Tag zu legen.
    »Nicht sehr weit entfernt«, sagte Frances. »Wir können ein Auto nehmen. Morgen haben wir frei. Wir können in einer Stunde aufbrechen und morgen Nachmittag zurück sein.«
    Howard schob den Rest seines Taco-Salats weg. »Wie lange müssen wir da fahren?«
    »Vier Stunden. Zweihundert Meilen. Ich weiß nicht. Ich habe mir die Karte in dem Begrüßungspaket angeschaut. Er liegt direkt nördlich. Das macht bestimmt Spaß. Du wolltest ihn auch immer sehen, das weiß ich genau. Na los, trau dich.«
    »Schon möglich«, sagte Howard und schob seine Unterlippe skeptisch nach vorn, deren Innenseite wie ein Stück Leber aussah. Wahrscheinlich sah er seinem Vater ähnlich, wenn er das mit den Lippen machte, dachte sie, und wahrscheinlich gefiel es ihm.
    »Ich fahre«, sagte Frances. »Ich werde den Wagen mieten. Du brauchst dich nur daneben zu setzen.«
    »Mmmmm.« Howard lächelte versuchsweise, aber er schien ihren Enthusiasmus nicht gerade zu teilen. Das war natürlich seine Selbstbedienungsmasche: Lass dir von den anderen Leuten – der armen, unschuldigen Ehefrau zum Beispiel – eine gute Idee servieren, mäkle hochnäsig daran herum, bis man dich dazu überredet hat, dann zeig bloß nicht, dass dir irgendwas gefällt, bis alles vorbei und gut gelaufen ist, und dann brüste dich damit. Sie hätte auch allein fahren können, aber sie hatte keine Lust dazu. Wenn Ed hier wäre, würde er ganz sicher nicht mitkommen.
    »Also pass auf«, sagte sie, »wenn du mitkommst, plädiere ich dafür, dass wir gleich nach der Podiumsdiskussion über Amortisierung fahren. So kriegen wir noch die Wüste in der Abenddämmerung zu sehen. Wir können irgendwo unterwegs absteigen, den Grand Canyon bei Sonnenaufgang sehen und zum Abendessen wieder da sein.«
    »Hast dir ja schon alles genau überlegt«, sagte Howard mit schiefem Grinsen. Langsam gefiel ihm die Sache. In seinem Kopf machte seine Zustimmung das Ganze zu seiner Idee.
    »Ich kann gut planen«, sagte Frances.
    Howards Grinsen wurde Besitz ergreifend. »Ich plane nie. Die Dinge werden von selber was, egal.«
    »Na, wir würden ja kein gutes Team abgeben.« Sie stand auf, bereit, zum Avis-Schalter in der Hotelhalle zu gehen. Sie dachte an einen großen roten Lincoln oder Cadillac. Das wäre der Hit – nicht die Begleitung.
    »Na, dann sollten wir wenigstens Spaß haben«, sagte Howard und wirkte plötzlich liebenswert. »Wir sind ungefähr da draußen, wo sie die Atombombe hochgejagt haben, stimmt’s?« Er schaute mit tumbem Vergnügen zu ihr auf, als hätte er vergessen, dass er sie mochte, und sich plötzlich daran erinnert. Vielleicht war er ja gar nicht so schlimm. Vielleicht verwechselte sie ihn mit Ed – schmiss die Männer alle in einen Topf und übersah dabei ihre feineren Unterschiede. Genau wie die Lesben.
    »New Mexico«, sagte sie und winkte den New-Jersey-Mädels zu, die herumgestikulierten, um ihr zu zeigen, dass sie etwas zwischen ihr und dem unbekannten Mann, mit dem sie zu Mittag aß, vermuteten. »Wo sie die Atombombe hochgejagt haben, war New Mexico.«
    »Ja, na gut, gleiche Wüste, oder. Unterm Strich.« Er sah zufrieden aus.
    »Unterm Strich. Wahrscheinlich«, sagte Frances. »Du konzentrierst dich ja echt aufs Wesentliche. Aber das weißt

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