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Eine Vielzahl von Sünden

Eine Vielzahl von Sünden

Titel: Eine Vielzahl von Sünden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Ford
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und dessen Schwanz so hart wie ein Besenstiel ist.« Obwohl Howard, ehrlich gesagt, davon auch nicht interessanter wurde, ob nun mit oder ohne diesen Schwanz.
    Sie starrte rüber in die hell erleuchtete Polizei-Nebenstelle. Die uniformierten Polizisten steuerten den jungen Mann in Handschellen auf einen Gitterkäfig im hinteren Teil des Raums zu, der aussah wie ein Tierkäfig. Plötzlich fühlte sie sich niedergeschlagen und bekam Angst, sie müsste losheulen, hier am Telefon. Gin brachte Frauen zum Vögeln, dann zum Heulen, dann zum Streiten, hatte ihr Vater immer gesagt. Sie sollte sich fern halten vom Gin. Ed sah natürlich immer noch gut aus – ein großer, barscher, blauäugiger Ire aus Boston, dessen Leben ihn leider nicht glücklich gemacht hatte. Obwohl er sie liebte. Das wusste sie. Es war so schade. In letzter Zeit hatte er angefangen, im Garten Hortensien zu pflanzen, das schien doch ganz nett zu sein. »Ich wünschte, du könntest den Grand Canyon zusammen mit mir sehen, Schatz.«
    »Vielleicht nehme ich heute Abend einen Flieger«, sagte Ed sarkastisch und stieß ein trockenes kleines Hustenlachen aus.
    »Das wäre toll. Ich würde dich abholen.«
    »Vielleicht sollte ich dann gleich runterspringen«, sagte Ed bitter. »Das wäre doch auch toll, oder?«
    »Nein, Liebes. Das nicht.«
    Unerwartet sah sie am anderen Ende des Parkplatzes Howard, Zahnstocher im Mundwinkel, aus dem Restaurant kommen. Er warf einen Blick auf die befahrene Straße und setzte sich dann in Bewegung, über den Bürgersteig, der am Einkaufscenter entlangführte. Er ging direkt vor dem Fenster der Polizeistation vorbei, und zwei der Polizisten unterbrachen, was sie gerade taten, und schauten nach draußen zu ihm. Howard sah komisch aus – groß und tolpatschig, wie ein Mann aus den Fünfzigern.
    Aber wo ging er hin? Sie spürte, wie ihr Herz drei, dann zwei heftige Schläge machte. Haute er ab? Auf dem Weg zur Arco-Tankstelle gegenüber, um zurückzutrampen? Ihr Herz machte wieder drei Trommelschläge, während sie den fortstrebenden Howard mit seinem fast anmutigen Gang und seinem Deppenhaarschnitt beobachtete. (Lächerlich sah er aus in seinen langen Frotteeshorts, seinem weißen T-Shirt und den Turnschuhen ohne Socken.) Aber ihr war panisch zu Mute – als liefe eine Katastrophe vor ihren Augen ab und sie wäre unfähig, sie aufzuhalten. Wie beim Überfahren des Hasen. Ka-zong, ka-zong , hämmerte ihr Herz. Sie erkannte, es wäre ihr sogar egal gewesen, wenn er fortgegangen wäre, aber der Anblick seines Fortgehens lähmte sie geradezu.
    »O Gott, geh nicht«, sagte sie.
    »Meine Füße lösen sich auf. In einem Jahr bin ich wahrscheinlich nicht mehr am Leben. Dahin gehe ich«, sagte Ed.
    »Wie war das?«
    »Was ich gesagt habe?«, sagte Ed. »Ich sagte …«
    Als Howard die Asphaltauffahrt der Arco-Tankstelle erreicht hatte, wandte er sich nach links, direkt in die leere Telefonzelle, und fing an, Zahlen hineinzuhämmern, doch während er das tat, verdrehte er den Hals zu ihr hin, von Telefon zu Telefon grinsend – wie sie beide ihre Ehepartner anriefen, um Bericht zu erstatten, wo sie waren, und den entscheidenden Teil der Geschichte wegließen. So sollten die Dinge absolut nicht laufen, fand sie. Die Dinge sollten immer weiter aufwärts gehen. Sie wünschte, sie wäre allein hier, ohne irgendwelche Lügen. Wie gut sich das anfühlen würde. Ganz allein in Flagstaff zu sein.
    »Vielleicht weißt du einfach nicht, was es bedeutet, wenn man die Nase so richtig scheißvoll hat«, sagte Ed gerade wütend.
    »Entschuldige, Liebling, was ist? Ich kann dich kaum noch verstehen. Ich stehe hier in der tiefsten Prärie.«
    »Prärie-Prärä«, fauchte Ed. Irgendetwas hatte ihm den Kragen platzen lassen. »Wir haben uns eh kaum noch verstanden.«
    »Sag doch so was nicht«, sagte Frances. Sie versuchte, Howard aus ihrem Denken zu verbannen, sich auf Ed, ihren Mann, zu konzentrieren, der wütend auf sie war, weil sie zum Grand Canyon fuhr, wütend, weil sie sich amüsierte oder es zumindest versuchte, wütend, weil sie sie selbst war und nicht er. Vielleicht wusste sie wirklich nicht, was es bedeutete, die Nase voll zu haben. »Nimm doch eine Tablette, und ich ruf dich später noch mal an, Schatz, okay?« Sie starrte Howard an. Er drehte ihr den Rücken zu, sein Kopf wippte vor und zurück. Er sprach angeregt mit seiner Frau in Connecticut. Fröhliches Lügen.
    »Nimm du doch eine Tablette«, sagte Ed. »Und verschwinde dann.«
    »Das

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