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Eine Vielzahl von Sünden

Eine Vielzahl von Sünden

Titel: Eine Vielzahl von Sünden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Ford
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liebte, aber dass hin und wieder auch mal ein anderes Zelt daneben aufgestellt werden musste. Und dann wurde es immer unumgänglich, Ed in den Arsch zu treten, allerdings nicht genug, um wirklich Schaden anzurichten. Später, wenn beider Ehe wieder repariert und einige Zeit vergangen war, konnten Ed und er vielleicht grollende Freunde werden, weil sie einen ähnlichen Blick auf die Wirklichkeit gemeinsam hatten – und die Tatsache, dass sie beide zutiefst an derselben Frau hingen. Er stellte sich vor, wie er auf Eds Beerdigung ging und feierlich ganz hinten in einer katholischen Kirche stand.
    Vor ihnen, im blassen Scheinwerferlicht des Wagens, tauchten die Gestalten eines Mannes und einer Frau am gegenüberliegenden Fahrbahnrand auf – zuerst klein und unscharf und dann hyperreal, als sie aus dem Dunkel hervortraten, nebeneinander. Zwei Indianer – schäbig gekleidet, in der Gegenrichtung unterwegs. Mann und Frau schauten den großen roten Town Car an, der da vorbeischoss. Der Mann trug ein grelltürkisfarbenes Hemd und ein rötliches Stirnband, die Frau ein dünnes graues Kleid. Ein Augenblick nur, und sie waren weg.
    »Das waren unsere Ur-Geister«, sagte Frances. Sie hatte eine Zeit lang geschwiegen, und ihre Worte klangen unerwartet ernst. »Das ist ein Zeichen. Aber ich weiß nicht wofür. Irgendwas nicht so Gutes, würde ich sagen.«
    Er hörte auf, an Ed zu denken.
    »Na, wenn sie in die andere Richtung gegangen wären, hätten wir unsere Ur-Geister ja ein Stück mitnehmen können. Und beim nächsten 24-Stunden-Markt absetzen.«
    »Die kamen gerade von dort, wo wir hinwollen«, verkündete Frances mit tiefernster Stimme.
    »Vom Grand Canyon?«
    »Das ist ein total spiritueller Ort. Ich hab dir ja schon gesagt, dass die Indianer ihn für das Tor zur Unterwelt gehalten haben.«
    »Na, dann treffen wir ja vielleicht auch Teddy Roosevelt dort.« Howard fand sich gerade ganz toll. »Wir sollten umdrehen und zurückfahren und sie fragen, was wir sonst noch sehen sollten.«
    »Wir würden sie nicht finden. Sie sind weg.«
    »Wo denn?«, sagte Howard. »Einfach in Luft aufgelöst?«
    »Vielleicht.« Frances betrachtete ihn ernst. Tadelnd, wie er merkte. »Ich will dir mal was sagen, okay?« Sie schaute wieder auf die dahinfließende weiße Mittellinie.
    Vor ihnen eine Reihe weißer Lichter – ein Motel, hoffte er. Es war lange nach elf, und er war plötzlich todmüde. Vielleicht waren diese zwei Indianer ja Erschöpfungsphantome gewesen, allerdings komisch, dass sie beide sie gesehen hatten.
    »Wenn mir irgendwas passiert, ja?«, sagte Frances, ohne eine Antwort abzuwarten. »Ich meine, wenn ich im Motel einen Herzanfall habe oder im Auto, wenn ich umkippe und einfach tot bin, weißt du, was ich dann von dir erwarte?«
    »Ed anrufen«, sagte Howard. »Alles beichten.«
    »Genau das will ich nicht «, sagte sie, und ihre Stimme wurde scharf vor Gewissheit. Ihre Augen suchten in dem grün beleuchteten Innenraum nach ihm. »Begreif das sofort. Du gehst einfach weg. Lässt alles so. Es würde zu viele Erklärungen erfordern. Lös dich einfach in Luft auf wie diese Indianer. Ich mein’s ernst. Ich bin ja sowieso tot, oder?«
    »Was zum Teufel«, sagte Howard. Er konnte weiter vorn die magischen Buchstaben M-O-T-E-L erkennen. »Scheiße, jetzt werd mal nicht komisch, ja? Ich weiß nicht, was passiert ist, als du mit Ed geredet hast. Aber du brauchst doch nicht gleich deine Beerdigung zu planen. Heiliger Bimbam.« Er wollte jetzt über nichts Ernsteres als Sex reden. Es war einfach zu spät am Tag. Und wieder tat es ihm Leid, überhaupt hier zu sein.
    »Versprich’s mir«, sagte Frances, deren Augen beim Fahren wieder zu ihm huschten.
    »Ich werde dir gar nichts versprechen«, sagte Howard. »Höchstens eine Menge Spaß, falls wir aus diesem Leichenwagen rauskommen und ein Bett finden.«
    Ganz offenkundig meinte sie es todernst. Aber er war keiner, der einfach so weggehen konnte, das brauchte er ihr gar nicht erst zu versprechen. Da hatte ihn seine Familie anders erzogen.
    »Weißt du, was ich tun würde, wenn dich ein Auto überfahren oder der Blitz erschlagen würde?«
    »Lass mich raten.«
    »Nicht nötig«, sagte Frances finster. »Manche Komplikationen kann man sich auch gleich sparen. Du weißt nicht, was ich meine, oder?«
    Das weiße Motelschild stand auf der rechten Seite. Links gab es – wie eine kleine Oase – eine leuchtend rote Neonschrift KASINO mit rotierenden blauen Polizeilichtern obendrauf,

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