Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eine Vielzahl von Sünden

Eine Vielzahl von Sünden

Titel: Eine Vielzahl von Sünden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Ford
Vom Netzwerk:
ist aber nicht sehr nett.«
    »Das dachte ich nur gerade«, sagte Ed.
    »Ich ruf dich später an, Liebling«, sagte sie leise.
    »Später schlafe ich.«
    »Dann schlaf gut«, sagte sie und klappte ihr Handy zu.
    Wieder unterwegs in der dunkel gewordenen Wüste, ließ Howard sein Fenster hinab, um die volle kühlende Brise hereinzulassen. Frances hatte irgendeine wässrige elektronische New-Age-Musik aufgelegt, die ihn wuschig machte. Er zog seine Schuhe aus, legte sich zurück und starrte in die von der Nacht verhangene Landschaft hinaus.
    Ein kleiner Riss der Gemeinheit, den er kein bisschen mochte, hatte sich auf dem Weg nach Flagstaff zwischen ihnen verbreitert. So was erlebte man auch am Arbeitsplatz oft. Nur weil das eben am Arbeitsplatz stattfand und nicht in seinem normalen Leben, saß man nicht mit dem anderen, egal wer es war, so unnatürlich fest wie er jetzt mit der durchgeknallten Frances. Das war das Gute am Verheiratetsein – zumindest sah er das so: Wenn man die Richtige heiratete (so wie er), dann erlebte man solche unwillkommenen Überraschungen nicht. Je besser man diese Richtige kennen lernte, desto besser wurde es – nicht desto schlimmer und ärgerlicher. Man mochte sie, und man mochte das Leben. Die Institution der Ehe eröffnete einem tiefere Gefilde, man fühlte ernsthafte Dinge, die man sonst nicht fühlen würde. Idiotische und unnötige Eskapaden wie dieser Ausflug standen einfach gar nicht an. Er war noch nicht lange genug verheiratet, um all dies wirklich zu schätzen – ein Jahr nur –, aber allmählich kam er drauf. Natürlich war es auch nett, in einem großen teuren Auto dahinzubrausen, unterwegs an einen exotischen Ort, wo er die Nacht lang eine Frau bumsen würde, um die er sich nicht für den Rest seines Lebens kümmern musste. Es tat ihm trotzdem Leid, dass er in Flagstaff nicht den Bus genommen hatte. Frances wäre das wahrscheinlich nur recht gewesen. Er hatte es einfach vergessen.
    Ab und zu zischte eine schwach beleuchtete Siedlung vorbei. Verstreute Lichter, ein paar finstere Männergestalten, die vor einer Bar oder einem schrottigen Laden oder bei einer Reihe Pick-ups standen, anscheinend ungerührt von dem vorbeiführenden Highway.
    »Indianer«, sagte Frances herrisch. Sie hatte ihren Sitz höher gestellt, dichter am Steuer, so dass sie wie eine winzige Pilotin in einem grün beleuchteten Cockpit wirkte. »Wir sind hier im Hopi-Reservat.«
    »Dann sollten wir besser keine Panne haben«, sagte Howard.
    »Bestimmt würden sie sich gut um uns kümmern.«
    »Sobald sie damit fertig wären, das Auto auszuschlachten und uns umzubringen. So ist es doch wahrscheinlich. Sie würden uns auf irgendeiner Hochebene anständig begraben.« Er starrte in die Nacht hinaus, wo eine einzelne Birne in ihrer Fassung leuchtete wie ein Boot auf dem Meer. »Ich habe Indianerblut in mir«, sagte er ohne bestimmten Grund. »Mein Vater war ein Paiute, und meine Mutter heißt Sue.« Das war witzig gemeint, obwohl er es noch nie so gesehen hatte, bis jetzt. »Meine Mutter heißt wirklich Sue. Sue Crosby«, sagte er und fühlte sich schon besser der Welt gegenüber, auch Frances. Die Gemeinheit schien plötzlich verflogen zu sein. Allerdings war er nicht gerade begeistert davon, wie sie aussah in ihren weißen Shorts (zu eng) und ihrer blauen Bluse mit dem dussligen handgemalten weißen Anker. Sie sah wie eine Polackenbraut aus – eine, die anderen Polacken billige Häuser verscheuerte und ihre Kleider bei Woolworth kaufte. Zu muskulös war sie auch – wie eine aus der polnischen Turnermannschaft. Eine, die Magda hieß. Ihr Körper fasste sich nicht gerade toll an. Weichere, weniger durchtrainierte Frauen (wie Mary) waren ihm lieber. Obwohl Frances älter war und wohl besser auf sich achten musste.
    Mit einer spontanen Bewegung langte er von seinem zurückgeklappten Sitz hinüber, löste ihre kleine rechte Hand vom Steuer und umschloss sie mit seiner. »Das wollte ich schon die ganze Zeit tun«, sagte er, obwohl es gar nicht stimmte.
    »Okay«, sagte sie, ohne ihn anzuschauen, nach vorn in den Lichttunnel spähend.
    »Ich dachte gerade an diese Japaner in dem Restaurant«, sagte er. »Wie komisch das ist. In Scheiß-Flagstaff. Indianer. Wüste. Schlangen. Man fragt sich, wie sie da hingekommen sind.« Er drückte ihre Hand, um seinen Satz zu unterstreichen. Er hasste elektronische Musik und schaltete sie ab, bevor er seekrank davon wurde.
    »Die sind jetzt überall«, sagte Frances in die

Weitere Kostenlose Bücher