Eine Vielzahl von Sünden
kleine Drahttürchen zu dem Käfig aufgemacht, den ich gekauft hatte, sie wollte ihn nur mal anschauen. Und er hat sie angesprungen, nach ihr geschnappt und angefangen zu bellen. Er hat gebellt und gebellt, sonst nichts. Diese Mrs Myers hat nur entsetzt geschaut und gesagt: ›Nanu, was ist denn mit ihm los, um Himmels willen?‹ – ›Er hat Angst‹, habe ich zu ihr gesagt. ›Er ist noch ein Welpe. Irgendjemand hat ihn ausgesetzt. Er versteht überhaupt nichts. Ist Ihnen das noch nie passiert?‹ – ›Natürlich nicht‹, sie darauf. ›Aber wir können einen ausgesetzten Welpen sowieso nicht nehmen.‹ Die hat mich angeguckt, als wollte ich sie übers Ohr hauen. ›Aber genau das tun Sie doch hier, oder?‹, habe ich gesagt. Wahrscheinlich bin ich etwas laut geworden.«
»Ich kann dich sehr gut verstehen«, sagte ich vom wintrigen St. Louis aus. »Ich wäre auch laut geworden.«
»›Wozu sind Sie denn dann da?‹, habe ich zu ihr gesagt. ›Wenn dieser Welpe nicht ausgesetzt worden wäre, wäre ich doch gar nicht hier , stimmt’s?‹ – ›Na ja, Sie müssen wissen, wir versuchen eigentlich eher, etwas ausgewachsenere Hunde unterzubringen, deren Besitzer sie aus irgendwelchen Gründen nicht behalten können.‹ Mein Gott, habe ich sie gehasst, Bobby. Sie war so eine breitärschige Golf-Tante, der das Blumenarrangieren und Canasta-Spielen im Boston Club zu langweilig geworden war. Ich hätte den Hund am liebsten einfach in ihren Laden geschmissen und wäre gegangen oder hätte ihr noch lieber eine gesemmelt. ›Das heißt, Sie nehmen ihn nicht?‹, sage ich. Inzwischen sitzt der Kleine die ganze Zeit in seinem Käfig und ist ganz ruhig und lieb. ›Nein, tut mir Leid, er ist ja ungezähmt‹, sagt diese dumme Schlampe. ›Ungezähmt!‹, sage ich. ›Er ist ein ausgesetzter Welpe, verflucht noch mal!‹ Da guckt sie mich an, als hätte ich ohne Vorwarnung eine Bombe aus der Tasche gezogen. ›Vielleicht sollten Sie jetzt besser gehen‹, sagt sie. Da bin ich gerade mal zwei Minuten in dem Laden, und sie will mich rausschmeißen. ›Was ist eigentlich mit Ihnen los?‹, habe ich nur gefragt, und da habe ich wirklich gebrüllt, das weiß ich. Ich war so frustriert. ›Sie haben überhaupt kein Herz für Hunde‹, habe ich gebrüllt. ›Sie sind herzlos, und Hunde mögen Sie schon gar nicht!‹«
»Du bist halt wütend geworden«, sagte ich und war froh, nicht dabei gewesen zu sein.
»Und wie«, sagte Sallie. »Ich habe mich auch kein bisschen zurückgehalten, weil ich diese grässliche Frau einschüchtern wollte. Ich wollte, dass sie begreift, wie dumm sie ist und wie sehr ich sie verabscheue. Die hat sogar zum Telefon geschaut, als wollte sie gleich die Polizei holen. Und als dann jemand hereinkam, die ich kannte – Mrs Hensley vom Kunstverein –, da bin ich einfach gegangen.«
»Das ist doch alles in Ordnung«, sagte ich. »Kann ich sehr gut verstehen, das Ganze.«
»Das seh ich ja genauso.« Sallie holte tief Luft und atmete geräuschvoll in den Hörer aus. »Aber wir müssen ihn trotzdem loswerden. Sofort.« Sie schwieg kurz. »Ich habe versucht, mit ihm rauszugehen, an dem Gürtel, den du um seinen Hals gemacht hast. Aber er weiß gar nicht, wie das geht. Er wehrt sich bloß und jault und bellt alle an. Und wenn du versuchst, ihn zu streicheln, pinkelt er. Ich habe ein paar von diesen schwarz gekleideten Halbstarken gesehen, die auf dem Bürgersteig saßen. Die haben mich angeguckt, als wäre ich die letzte Idiotin, und eins der Mädchen hat mit den Lippen ein kleines Kussgeräusch gemacht und was Nettes gesagt, und da hat sich der Welpe einfach hingesetzt und sie angestarrt. ›Ist das euer Hund?‹, habe ich sie gefragt. Sie saßen zu viert da und haben sich nur angeschaut und gegrinst. Ich weiß genau, dass er ihnen gehört. Sie hatten noch einen Hund dabei, einen schwarzen. Den Welpen müssen wir zum Zwinger bringen, sobald du morgen nach Hause kommst. Ich sehe ihn gerade, im Garten. Er sitzt einfach da und starrt vor sich hin, wie aus einem Hitchcock-Film.«
»Wir bringen ihn hin«, sagte ich. »Es hat wohl keiner angerufen, oder?«
»Nein. Und ich habe jemand gesehen, der neue Zettel aufgehängt und deine dabei abgerissen hat. Ich habe nichts gesagt. Jerry DeFranco, der im Sterben liegt, und unsere einstweilige Verfügung, das hat mir gereicht.«
»Wirklich schade«, sagte ich, weil das meinem Gefühl entsprach – es war schade, dass keiner kam und den Welpen aus der Güte seines Herzens
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