Eine Villa zum Verlieben: Roman (German Edition)
jetzt« von ihrer großen Liebe verabschiedete, schossen ihr Tränen der Rührung in die Augen.
»War das nicht eine traumhafte Inszenierung?«, erkundigte sich Robert Behrendsen, als er ihr wenige Minuten später galant in den Mantel half. Leonie nickte stumm. Die Geschichte hatte sie tief bewegt, aber zu der Inszenierung selbst konnte sie nicht wirklich viel sagen. Sie erfasste diese Dinge eben mehr mit dem Herzen als mit dem Kopf. Ob Herr Behrendsen das verstehen würde?
Während sie krampfhaft nach einer intelligenten Antwort suchte, sagte er:
»Wollen wir noch etwas trinken gehen? Vielleicht am Kamin des Hotels Vier Jahreszeiten?« Wieder konnte Leonie nur sprachlos nicken. Mit einem Mal war sie schrecklich nervös, und ihre Hände begannen zu zittern. Sanft schob Robert Behrendsen sie durch die Menschenmenge nach draußen.
Nach ihrem ersten Glas Sherry gelang es Leonie, sich einigermaßen zu entspannen. Während ihr Begleiter ihr begeistert von einer »Tannhäuser«-Inszenierung in Bayreuth vorschwärmte, fasste sie sich ein Herz und gab unumwunden zu:
»Ich verstehe leider nicht besonders viel von der Oper oder vom Theater.« Sie stockte und blickte ihren Vermieter verlegen an. »Aber ich würde gerne ein wenig mehr über Sie erfahren. Momentan weiß ich nur, dass Sie einen Sohn haben, öfter mal zwischen Husum und Hamburg hin und her pendeln und gerne in die Oper gehen. Darf ich fragen, womit Sie das Geld für Ihren bewegten Alltag verdienen? Die Mieteinnahmen allein können es ja wohl nicht sein?«
»Sie dürfen«, antwortete Robert Behrendsen mit einem Lächeln. »Doch nur unter der Bedingung, dass Sie mir dann auch etwas über sich verraten. Mein Leben ist schnell erzählt. Und ich warne Sie, die Geschichte wird ziemlich deprimierend!«
»Ich kann mit traurigen Geschichten umgehen«, sagte Leonie und fragte sich, was jetzt wohl kommen würde.
»Ich bin in der Villa, in der Sie jetzt wohnen, aufgewachsen und habe dort gelebt, bis ich meine Frau Daniela kennengelernt habe. Ich bin Kinderarzt, und wir sind uns hier in Hamburg auf einem Kongress zum Thema ganzheitliche Medizin begegnet. Daniela hatte gerade die gynäkologische Praxis ihres Vaters übernommen und wollte sich über Alternativen zur Schulmedizin informieren. Wir haben uns Hals über Kopf ineinander verliebt, und Daniela war wenige Monate danach schwanger. Ich habe keine Sekunde gezögert und bin ihr nach Husum gefolgt.«
Leonie sah Herrn Behrendsen aufmerksam an. Bislang klang das alles wunderschön. Was war wohl passiert?
»Ich war noch nie in meinem Leben so glücklich wie in diesen sechs Jahren. Daniela und ich haben die Praxis zusammen geführt, sie als Frauenärztin und ich als Kinderarzt, ein unschlagbares Team. Als Moritz auf die Welt kam, hat Daniela nur noch halbtags gearbeitet und Moritz frühmorgens zu seiner Oma gebracht. Es war das perfekte Familienglück. Doch dann zeigte ein Routinecheck veränderte Zellstrukturen in Danielas Gebärmutter. Kurz darauf die schreckliche Diagnose, die unser Leben auf einen Schlag zerstört hat: Krebs im Endstadium. Drei Monate später war meine Frau tot.«
Leonie schluckte schwer und hielt mit Mühe die Tränen zurück. Wieso musste das Leben so ungerecht sein? Eine junge, vermutlich schöne Frau, intelligent und begabt. Ein attraktiver Mann, ein entzückendes Kind. Weshalb musste dieses Glück ein so brutales Ende finden?
»Ich habe lange gebraucht, um wieder auf die Beine zu kommen, und auch jetzt ist es noch verdammt schwer. Aber schon wegen Moritz muss ich mich zusammenreißen. Außerdem hatte ich Daniela versprochen, die Praxis weiterzuführen. Das war das Gute an diesen drei Monaten, wir hatten Zeit, uns voneinander zu verabschieden. Die Dinge in Ruhe zu besprechen. Wir waren sogar noch einmal zusammen im Urlaub. In der Toscana, da hat es ihr immer am besten gefallen.«
Bei der Vorstellung, wie tapfer diese Familie mit Danielas herannahendem Tod umgegangen war, verlor Leonie endgültig die Fassung. Verstohlen wischte sie sich die Tränen aus den Augenwinkeln.
»Sehen Sie, nun habe ich Sie verstört«, sagte Robert Behrendsen entschuldigend. »Dabei sollte es ein schöner Abend werden. Vielleicht gehen wir das nächste Mal lieber in eine komische Oper, ›Figaros Hochzeit‹ zum Beispiel. Was halten Sie davon?«
»Das wäre schön«, murmelte Leonie in ihr Taschentuch und unterdrückte das Bedürfnis, ihren Vermieter sanft zu berühren. Schließlich konnte er wieder neu liiert
Weitere Kostenlose Bücher