sich dann aber anders. Es war ihr Leben! Und sie allein würde von nun an die Regeln aufstellen. Damit musste ihre Mutter leben lernen. Und ich auch, dachte Stella nachdenklich.
Als sich Katharina Alberti schließlich verabschiedet hatte, konnte Stella endlich die Augen schließen und in sich gehen. Es gab einiges zu entscheiden und zu bedenken. Weshalb hatte sie das nicht schon viel früher getan?
»Mist«, schimpfte Nina und starrte ratlos aus dem Fenster. Eigentlich hätte sie guter Laune sein müssen, denn das Wohnzimmer, in dem sie so fleißig an ihrem Computer arbeitete, war mittlerweile wunderschön. Es hatte sie einige Mühe gekostet, die alten Tapeten von der Wand zu reißen und die Wände grob zu verputzen und zu streichen. Jetzt erstrahlte der Raum in einem hellen Weiß und wirkte weitläufig und freundlich. An den Fenstern hingen leichte, beinahe durchsichtige Vorhänge aus feinem Baumwollstoff, der mit kleinen, hellbeigen Sternchen übersät war.
Eigentlich war Nina eher ein herber Typ, aber die Zeichen standen auf Veränderung. Und an diesem Traumstoff hatte sie einfach nicht vorbeigehen können. Sie freute sich schon jetzt auf die ersten lauen Sommerabende, wenn der Wind den Stoff aufbauschen und sie von ihrem Korbstuhl aus in den Garten blicken würde. Bis es so weit war, musste sie allerdings erst einmal einen neuen Job finden, der es ihr ermöglichte, weiter hier zu wohnen.
Dabei ging es nicht nur um die Miete, sondern auch um ihre Wohnung. Sie hatte nämlich noch so viele Ideen. Sie träumte von hölzernen Fensterläden, wie man sie in der Provence oft sah, und von dem großen Wandbehang, den sie neulich bei einem Antiquitätenhändler entdeckt hatte. Auf dem zwei Meter langen Stoff war eine südfranzösische Landschaft abgedruckt, die viel Farbe und Atmosphäre in ihr Wohnzimmer bringen würde.
Aber egal, wie sorgfältig Nina auch recherchierte, es schien weit und breit keine geeignete Stelle für sie zu geben, außer im Hamburger Umland und zu Konditionen, die knapp über dem Sozialhilfeniveau lagen. Und so verzweifelt war sie nun auch wieder nicht.
Sie beschloss, sich ein wenig abzulenken und einen Blick in den Account vom Blumenmeer zu werfen. Vielleicht hatte Herr Achternbeck ja geschrieben.
Von:
[email protected]An:
[email protected]Betreff: Kalter Kaffee
Liebe Nina Korte,
vielen Dank, dass Sie mir die Kontraste so anschaulich vermittelt haben. Selbstverständlich werde ich Ihre Frage mit der gleichen Sorgfalt beantworten. Ich persönlich glaube, dass Menschen immer etwas brauchen, woran sie sich festhalten können. Und weil wir dies von Kindesbeinen an gewohnt sind, mögen Sie durchaus recht mit Ihrer Vermutung haben: Der Coffee-to-go-Becher, das Symbol einer trendigen und ewig jungen Coffee-Community, hat tatsächlich Ähnlichkeit mit einer Nuckelflasche.
Wie gern würde ich nun erfahren, woran Sie sich festhalten. Oder woran Sie festhalten. Doch wer schon harmlose Fragen nach Cowboys und Indianern nicht beantwortet, der reagiert sicher auch hierauf nicht.
Daher noch eine Fachfrage: Wozu raten Sie mir, wenn die Herbstblumen in meinen Beeten irgendwann verblüht sind? Muss ich mich mit der Kargheit abfinden, oder haben Sie eine andere Idee für mich?
Mit ebenfalls herbstlichen Grüßen,
Ihr Waldemar Achternbeck
Die E-Mail war Freitagnacht um Viertel vor zwölf abgeschickt worden. Anscheinend war Herr Achternbeck ein Nachtarbeiter. Gab es keine Frau, die auf ihn wartete? Oder vielleicht wartete jemand, traurig und verzweifelt, Stunde um Stunde in einer leeren Wohnung? Gehörte Waldemar Achternbeck eher zu den Männern, die wie ihr Vater oder Gerald ständig Affären hatten, um ihr männliches Ego zu bestätigen? Nein, halt, sie war ja schon vollkommen paranoid. Wahrscheinlich war die Schleieraster einfach nur ein einsamer Single, der sich die Zeit mit einem harmlosen Chat vertrieb.
Von:
[email protected]An:
[email protected]Betreff: Winterpause
Lieber Asterdivaricatus,
es dauert ein Weilchen, bis die Herbstblumen endgültig verblüht sind, da kann ich Sie beruhigen. Solange ihnen der erste Frost oder gar Schnee nicht frühzeitig den Garaus macht, werden Sie sich bestimmt noch eine Zeitlang an den Kontrasten der Blüten erfreuen können. Mit etwas Glück sogar bis Anfang Dezember. Im Winter sollten Sie Ihrem Garten seine wohlverdiente Pause gönnen und sich auf die ersten Krokusse und Schneeglöckchen im Januar freuen. Bis es so weit ist, kann ich Ihnen