ihrer Kundendatei –, kam eigentlich nur noch der Kulturpessimist in Frage. Aber das passte so gar nicht zu dem, was und wie die Schleieraster schrieb.
Ratlos klickte sich Nina auf die Seite des »Hamburger Telefonbuchs«. Möglicherweise hatte sie da mehr Glück. Es gab tatsächlich einige Teilnehmer mit dem Nachnamen »Achternbeck«, aber keinen mit dem Vornamen »Waldemar« oder zumindest mit einem abgekürzten W. Registrierungen ohne Vornamen fand Nina auch nicht.
»Das kann bedeuten, dass er keinen Eintrag wollte oder eine Geheimnummer hat«, mutmaßte Leonie, als die beiden wenig später an ihrem Tisch saßen und ein herrlich duftendes Thaicurry verspeisten. »Unter Umständen ist Waldemar Achternbeck gar nicht sein richtiger Name, so wie ich es schon die ganze Zeit befürchtet habe. Allein die Bezeichnung Schleieraster spricht doch Bände, oder nicht? Er will seine wahre Identität verschleiern. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass jemand, der angeblich selbständig ist, überhaupt nicht im Netz auftaucht. Heutzutage ist eine Homepage immer das Erste, was man sich nach einer Geschäftsgründung einrichtet. Wenn du mich fragst, solltest du die Finger davon lassen und den Kontakt abbrechen.«
»Und wenn es nun dieser Geisteswissenschaftler ist?«, fragte Nina, obwohl sie wusste, dass Leonie recht hatte.
»Frag ihn einfach, wenn es dir keine Ruhe lässt. Du kannst dich ja ganz unverbindlich nach seinem Film- und Literaturgeschmack erkundigen. Dann wirst du sehen, ob er als Kulturpessimist durchgeht.«
»Gute Idee!«, stimmte Nina zu und wechselte schnell das Thema. Sie wollte Leonie nicht auf die Nerven gehen. Schließlich hatte die im Moment ganz andere Sorgen.
»Hat Doris Möller eigentlich schon von deinem Anruf bei Thomas Regner erfahren?«
»Ich weiß es nicht, ich habe sie heute gar nicht gesehen«, antwortete Leonie. »Ich hatte Spätschicht, und als ich gekommen bin, war sie bereits nach Hause gegangen. Angeblich ging es ihr nicht gut.«
»Das bedeutet also, dass du nach wie vor nicht weißt, ob du deinen Urlaub bekommst oder nicht. Und ob Doris Möller dich demnächst zu Hackfleisch verarbeiten wird.«
»Sag so was nicht. Ich darf gar nicht daran denken, sonst wird mir schlecht«, jammerte Leonie und sah so verzweifelt aus, dass Nina unweigerlich lachen musste.
»Nun mach kein Gesicht wie drei Tage Regenwetter. Komm, heute Abend machen wir es uns schön, und morgen konfrontierst du dich mit ihr. Wenn alle Stricke reißen, rufst du mich an, und ich komme, um dich zu retten. Versprochen!«
Von:
[email protected]An:
[email protected]Lieber Asterdivaricatus,
es ist schon spät, und ich habe beim Abendessen mit meiner Freundin einiges an Rotwein getrunken – das nur mal vorweggeschickt. Ich muss gestehen, dass Sie mich neugierig gemacht haben. Wenn ich Ihnen also verrate, ob ich als Kind Cowboy und Indianer gespielt habe (weshalb auch immer Sie dieses Thema so brennend interessiert), schreiben Sie mir dann, ob Sie Bücher mögen? Und welche Filme Sie am liebsten sehen?
Ihre Nina Korte
Von:
[email protected]An:
[email protected]… Sie können also offensichtlich auch nicht schlafen, wenn Sie zu dieser späten Stunde noch E-Mails schreiben! Sind Sie generell ein Nachtmensch? In jedem Fall freue ich mich sehr über Ihre Nachricht. Aber jetzt sind erst mal Sie dran. Also raus mit der Sprache: Waren Sie nun ein Anhänger von Winnetou oder von Old Shatterhand?
Von:
[email protected]An:
[email protected]Ehrlich gesagt mochte ich Nscho-tschi, Winnetous Schwester, am liebsten, auch wenn es mit ihr bekanntermaßen ein übles Ende genommen hat. Wenn Sie mich also so fragen, stand ich wohl eher auf der Seite der armen, verfolgten Indianer.
Was meine Schlafgewohnheiten betrifft, bin ich eigentlich eine Nachteule. Aber ich muss wegen des Blumenmarktes immer furchtbar früh aufstehen und gehe deswegen zeitiger ins Bett, als mir lieb ist. Heute allerdings mache ich eine Ausnahme. Es sind ja nur noch zwei Tage bis Weihnachten, dann kann ich schlafen, so lange und viel ich will.
Von:
[email protected]An:
[email protected]Aha, jetzt weiß ich, dass Sie gern lange schlafen. Geht mir genauso, obwohl Lulu mir diesbezüglich manchmal einen Strich durch die Rechnung macht. Was Ihre andere Vorliebe betrifft: Komisch, ich hätte schwören können, dass Sie eher auf Männerrollen abonniert sind. Nun, vielleicht kann ich Sie mit meinen