Eine Villa zum Verlieben: Roman (German Edition)
Schreibtisch. Mit einem Mal konnte sie sich gar nicht mehr über ihren hart erkämpften Urlaub freuen. Doris Möller hatte sie als Intrigantin bezeichnet. Bestimmt hatte es sich längst herumgesprochen, dass sie bei Thomas Regner angerufen hatte, um sich über Frau Möller zu beschweren. Was ihre Kollegen jetzt wohl über sie dachten? Sich gegen eine ungerechte Chefin zur Wehr zu setzen war eine Sache, aber deswegen gleich beim Firmenboss zu petzen eine andere. Und Thomas Regner hatte sich nicht bei ihr gemeldet, obwohl er es versprochen hatte. Leonie hatte das Gefühl, alles falsch gemacht zu haben.
Während sie nachmittags ihre Vertretung einarbeitete, war sie nur halbherzig bei der Sache. Ihre Gedanken kreisten dauernd um das Gespräch mit Doris Möller. Konnte sie ihr wirklich einfach so kündigen? Was sie jetzt brauchte, war ein Anwalt für Arbeitsrecht. Leider hatte sie überhaupt keine Kontakte und war auch nicht rechtsschutzversichert. Leonie war so verzweifelt wie schon lange nicht mehr. Am Ende wäre es wirklich das Beste, Doris Möller würde ihr kündigen. Dann hätte dieser Alptraum wenigstens ein für alle Mal ein Ende!
Im Blumenmeer schenkten Annette und Nina Glühwein aus und reichten Teller mit Plätzchen herum. Es war Ninas Idee gewesen, ihre Stammkunden am letzten Tag vor Weihnachten zu einem kleinen Umtrunk einzuladen.
Auch die Nachbarn aus den umliegenden Geschäften, Fernando und Maria, Nino, Jörg von Alternative Tours sowie Solveig aus dem Antiquitätenladen vom Pappelstieg, waren gekommen, um den beiden Damen vom Blumenmeer einen glücklichen Neuanfang zu wünschen und sich von Annette zu verabschieden, die schon am zweiten Weihnachtsfeiertag ihre Zelte in Hamburg abbrechen würde. Die letzten drei Tage bis zum Jahreswechsel würde Nina alleine zurechtkommen müssen.
Auf die Frage nach ihren Zukunftsplänen hatte sich Nina eine Antwort zurechtgelegt, die sie im Laufe des Abends ungefähr ein Dutzend Mal herunterleierte: Jetzt sei die ideale Gelegenheit, ein kurzes Sabbatical einzulegen, so etwas habe sie schon so lange geplant, aber immer wieder aufgeschoben. Nach ihrer Auszeit würde sie sich ans Bewerbungsschreiben machen und sich in Vorstellungsgespräche stürzen – wenn sie bis dahin nicht längst etwas Neues hatte.
»Man kennt sich ja schließlich in der Branche«, erklärte Nina und versuchte, so zuversichtlich wie möglich zu klingen.
Je weiter der Abend voranschritt und je mehr sich die riesige Glühweinbowle leerte, desto ausgelassener wurde die Stimmung, von der sich zuletzt sogar Nina anstecken ließ. Vielleicht war ihre Zukunft gar nicht so grau, wie sie insgeheim befürchtete? Es würde eben einfach noch ein bisschen dauern, bis es wieder aufwärtsging – so hatten es ihr die Tarotkarten prophezeit.
Trotz ihres leisen Optimismus wurde Nina traurig, wenn sie daran dachte, dass sie mit vielen der Anwesenden künftig kaum mehr zu tun haben würde, von ein paar zufälligen Begegnungen im Viertel mal abgesehen.
In diesem Moment betrat Alexander Wagenbach den Laden, im Arm zwei üppige Sträuße, die er Annette und Nina feierlich überreichte.
»Ich weiß, dass es ein wenig seltsam ist, ausgerechnet Ihnen beiden Blumen zu schenken. Aber Sie haben mir drei Jahre lang jeden Samstag mit viel Liebe einen Strauß gebunden, und nun wollte ich mich einfach mal dafür revanchieren!«
Annette schmunzelte, und Nina war gerührt. Als sie an den Blumen schnupperte (weiße Amaryllis mit Freesien und Quittenzweigen), fiel ihr ein, dass ihr bislang noch nie jemand Blumen geschenkt hatte. So wie auch Buchhändlerinnen selten Bücher geschenkt bekamen, wie sie von einer Bekannten wusste. Dabei war das doch unlogisch. Man ergriff den Beruf schließlich, weil man die Materie liebte, weshalb also sollte man sich nicht darüber freuen? »Danke, das ist sehr aufmerksam von Ihnen«, sagte Nina und strahlte. »Liege ich richtig, wenn ich die Handschrift der Kollegen von Flora hinter diesen üppigen Sträußen vermute?«
»Stimmt genau«, erwiderte Alexander Wagenbach. Nina wurde schlagartig traurig, so schnell war das Blumenmeer also zu ersetzen … doch ihr blieb keine Zeit zu antworten, denn sie entdeckte Leonie an der Eingangstür.
»Das ist ja eine Überraschung! Schön, dich zu sehen!«, rief Nina und umarmte ihre Freundin, die sich mit Mühe einen Weg durch die Menge gebahnt hatte.
»Ich wollte dich zum Abschluss noch mal besuchen«, erwiderte Leonie. »Und ich hätte große Lust auf
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