Eine Villa zum Verlieben: Roman (German Edition)
überteuert vorkam. Im Blumenmeer hatte sie in erster Linie funktionale und strapazierfähige Kleider gebraucht. Außerdem war sie sowieso die meiste Zeit in einer Plastikschürze herumgelaufen.
Allerdings legte Ruth Gellersen Wert auf gut angezogene Mitarbeiter, und deshalb wollte Nina es auf einen Versuch ankommen lassen. Unentschlossen schob sie die edlen Designerteile auf der Kleiderstange hin und her und fuhr mit der Hand über die teuren Stoffe.
»Das hier müsste Ihnen gut stehen«, meinte eine Verkäuferin und zeigte ihr ein dunkelgrünes Kleid. Nina zögerte einen Moment, da sie selten etwas anderes als Hosen getragen hatte. Doch wo sie schon einmal hier war … Schließlich ist mein Look durchaus ausbaufähig, dachte Nina und sah an ihrem ausgeleierten Pullover herunter.
Zu ihrer großen Überraschung sah sie in dem Kleid wirklich gut aus. Um nicht zu sagen sensationell! Nina drehte und wendete sich vor dem großen Garderobenspiegel und konnte sich kaum von ihrem Anblick losreißen. Das Kleid unterstrich das Grün ihrer Augen und passte hervorragend zu ihrem dunklen Haar. Auf einmal kam ihre zierliche Figur voll zur Geltung. Sie wirkte reif und feminin zugleich. Wie eine Frau, die wusste, was sie wollte.
»Ich nehme es«, sagte Nina und probierte gleich noch ein ganzes Dutzend Röcke, Hosen, Pullover und Stiefel. Mit zwei riesigen Tüten bepackt, verließ sie die Boutique und hatte beinahe ein ganzes Monatsgehalt verpulvert.
Wahrscheinlich gibt Stella schon für einen einzigen Pulli so viel Geld aus, vermutete sie und versuchte das schlechte Gewissen abzuschütteln, das sich beim Anblick der riesigen Kleiderberge meldete.
»Ich verdiene schließlich genug und habe mir schon seit Ewigkeiten nichts mehr geleistet«, sprach sie sich selbst Mut zu. Außerdem hatte sie von Annette zum Abschied ein recht üppiges Weihnachtsgeld bekommen.
Gedankenverloren passierte Nina das Fenster von Dansk Dreams, und eine leise Wehmut überkam sie. Bislang hatte sie es bewusst vermieden, hier vorbeizugehen, aber es tat nicht so weh, wie sie befürchtet hatte. Wo im vergangenen Jahr Primeln und Krokusse den Frühling angekündigt hatten, standen jetzt Schaufensterpuppen, die mit toten Augen auf die Straße starrten. Auf dem Boden, der zuvor mit leuchtend grünem Kunstrasen ausgelegt gewesen war, hatte die Besitzerin Schmuckstücke, Taschen und Pulswärmer kunstvoll arrangiert.
Da werde ich ein anderes Mal reingehen, beschloss Nina und warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. Fast sieben. Ihr Magen meldete sich mit einem ungehaltenen Knurren, der Einkaufsbummel hatte sie ganz schön angestrengt.
Zu Hause in der Villa herrschte gähnende Leere in ihrem Kühlschrank, und Leonie lag krank im Bett und brauchte Ruhe.
Warum nicht mal auf einen Sprung bei Alexander Wagenbach im La Lune vorbeischauen?, überlegte Nina. Dazu musste sie die Osterstraße hinauf, in den anderen Teil von Eimsbüttel, den sie nicht so gut kannte. Je näher sie ihrem Ziel kam, desto zögerlicher wurde sie. Doch was sollte schon groß passieren? Mit vierzig Jahren war sie durchaus in der Lage, auch mal alleine essen zu gehen.
Einige Minuten später stand sie vor dem Fenster des La Lune. Der Mond, dachte Nina träumerisch und spähte durch die Scheibe. Das Lokal machte seinem Namen wirklich alle Ehre. Alexander hatte eine Vorliebe für Kerzen, die er wie helle Lichttupfer im Restaurant verteilt hatte.
»Das schafft eine wunderschöne Atmosphäre, und meine Gäste haben tatsächlich ein bisschen den Eindruck, als würden sie bei Mondschein zusammensitzen«, hatte er ihr damals erklärt, und Nina konnte ihm nur zustimmen. Das La Lune wirkte verzaubert, wie aus einer anderen Welt.
»Ein riesiges, romantisches Lichtermeer«, seufzte Nina, und nun tat es ihr auf einmal ein wenig leid, dass sie ohne Begleitung gekommen war. An den Tischen saßen fast nur Paare, die sich verliebt in die Augen blickten und Händchen hielten.
Nina fasste sich ein Herz und trat ein. Eine junge Frau geleitete sie zu einem kleinen gemütlichen Ecktisch, was Nina sehr entgegenkam, weil sie dort nicht so auf dem Präsentierteller saß. Sie blickte sich anerkennend um. Die Wagenbachs hatten wirklich einen guten Geschmack. Als Ausgleich zu den vielen Kerzen hatten sie das Mobiliar eher einfach gehalten. Die Tische waren aus robustem, hellem Holz, darüber lagen nachlässig drapierte weiße Stoffläufer. Von Alexander Wagenbach fehlte jede Spur, was Nina jedoch nicht weiter störte.
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