Eine Villa zum Verlieben: Roman (German Edition)
Im Grunde war es ihr sogar lieber, denn sie wollte auf keinen Fall den Eindruck erwecken, dass sie hier war, um ihn zu treffen.
Dominique, die freundliche Kellnerin, war rührend um ihr Wohlergehen bemüht und beriet sie kompetent. Die Karte versprach eine Mischung aus französischer Landküche und deutschen Spezialitäten zu moderaten Preisen. Nina bestellte sich das »Plat du jour« zusammen mit einem Viertel Bordeaux und beobachtete das bunte Treiben im Lokal.
Wäre sie auch nur ein paar Minuten später gekommen, hätte sie keine Chance mehr gehabt. Einige der Gäste mussten mittlerweile sogar an der Bar Platz nehmen, um dort auf einen freien Tisch zu warten. Chansons von Jacques Brel mischten sich in das stetig anschwellende Stimmengewirr, und die hölzerne Schwingtür zur Küche öffnete und schloss sich in einem fort. Nina bewunderte Dominiques professionellen Charme und die Effizienz, mit der sie ihre Arbeit verrichtete.
Nina war gerade bei der Vorspeise – einer exzellenten bretonischen Fischsuppe –, als eine distinguiert aussehende Dame mit einem großen Hund an der Leine das Lokal betrat. Alles an ihr strahlte Autorität und Entschlossenheit aus. Dominique eilte ihr beflissen entgegen und rief: »Frau Wagenbach, guten Abend!« Frau Wagenbach nickte ihrer Angestellten kurz zu, drückte ihr die Leine in die Hand und verschwand in der Küche. Neugierig sah Nina ihr hinterher und bedauerte, dass sie nur einen kurzen Blick auf die Frau von Alexander Wagenbach hatte erhaschen können.
Der Hund schien sich hier sehr wohl zu fühlen und lief schwanzwedelnd zwischen den Tischen hin und her. Ausgiebig beschnüffelte er Ninas Schuhe und legte seinen Kopf auf ihren Schoß. Irritiert blickte Nina in seine treuherzigen Augen. Mit Hunden konnte sie nicht besonders viel anfangen, sie war eher ein Katzenmensch. Zögernd streichelte sie ihm über den Rücken, und ehe sie sich’s versah, streckte er sich wohlig auf dem Boden aus, legte seinen schweren Kopf auf Ninas rechten Fuß und war nicht mehr von seinem neuen Platz wegzubewegen.
»Sie müssen Bescheid sagen, wenn er sie stört«, sagte Dominique, als sie eine Viertelstunde darauf den Hauptgang servierte.
»Ist schon in Ordnung«, antwortete Nina, die sich mittlerweile an das Gewicht gewöhnt hatte und sich auf ihr Essen freute.
Hier muss ich unbedingt mal mit Stella und Leonie hin, dachte sie, während ihr der Duft des würzigen Cassoulets in die Nase stieg. Der Geschmack der frischen Kräuter erinnerte sie an ihren Provence-Urlaub mit Gerald. Danach hatte sie sich endgültig von ihm getrennt. Noch heute bedauerte sie, die Tage in Südfrankreich nicht mehr genossen zu haben. Gerald hatte sich lieber mit hübschen Kellnerinnen beschäftigt als mit Nina. Irgendwann hatte sie die Gegend auf eigene Faust erkundet und Gerald seinen Interessen überlassen. Teilnahmslos hatte sie die vielen Sehenswürdigkeiten an sich vorbeiziehen lassen, ohne wirklich etwas davon wahrzunehmen. Sie würde wohl noch einmal dorthin fahren müssen, um nachzuholen, was sie damals versäumt hatte.
Kapitel 22
L eonie lag in eine kuschelige Fleece-Decke gehüllt auf ihrer Couch und starrte mit leerem Blick auf den Fernseher. Der kitschige Liebesfilm, den sie unter normalen Umständen mit Freude bis zum Happy End verfolgt hätte, konnte sie heute nicht von ihren Sorgen ablenken. Was soll ich nur mit dem Brief von Doris Möller anfangen?, grübelte sie und runzelte verzweifelt die Stirn. Wie sie es auch drehte und wendete, sie würde gezwungen sein, zuzugeben, dass sie den Brief auf illegale Weise an sich gebracht hatte. Noch dazu hatte sie den Firmenschlüssel in fremde Hände gegeben. Allein das würde eine Abmahnung rechtfertigen. Wer sollte dafür Verständnis haben? Thomas Regner ganz sicher nicht.
Leonie sehnte sich nach dem Zuspruch ihrer Freundinnen. Aber Nina war unterwegs, und Stella hatte sich mit Ruth Gellersen zum Abendessen getroffen. Ihre Eltern wollte sie keinesfalls anrufen, die hätten sich viel zu sehr gesorgt, das wusste Leonie.
»Außerdem wird es Zeit, dass ich solche Dinge alleine regle«, sagte sie energisch zu Paula, die hingebungsvoll schnurrte.
Was würde Nina an meiner Stelle tun?, überlegte sie und dachte an ihre kluge, starke Freundin. Was das Schicksal auch an unerwarteten Wendungen bereithielt, Nina war niemals eingeschüchtert oder verunsichert. Der neue Job schien ihr zu gefallen, sie hatte sich bewundernswert schnell an ihre neuen Aufgaben gewöhnt,
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