kommen würde. Thomas Regner räusperte sich.
»Das ist eine schwerwiegende Anschuldigung, Frau Rohlfs, ich hoffe, Ihnen ist klar, was Sie da sagen.«
Leonie sank das Herz in die Hose ihres Frottee-Pyjamas. Mist, hätte sie doch bloß den Mund gehalten!
»Außerdem können Sie nicht einfach im Schreibtisch Ihrer Vorgesetzten herumwühlen, was haben Sie sich dabei nur gedacht? Ich muss Ihnen wohl nicht sagen, dass Sie sich einen ausgesprochen ungünstigen Zeitpunkt für Ihre Detektiv-Spielchen ausgesucht haben. Seit gestern liegt eine Abmahnung für Sie vor. Eigentlich wollte ich noch einmal mit Ihnen sprechen, bevor ich unterschreibe, denn ich halte Sie für eine äußerst fähige und kompetente Mitarbeiterin. Aber was Sie sich jetzt geleistet haben, lässt Sie nicht gerade in einem positiven Licht erscheinen. Ich kann verstehen, dass Sie sich rehabilitieren wollten, und offensichtlich waren Sie an der versäumten Stornierung ja auch völlig unschuldig. Trotzdem weiß ich nicht, wie viel ich in dieser Sache für Sie tun kann, Frau Rohlfs.«
Leonies Herz schlug bis zum Hals, und am liebsten hätte sie aufgelegt. Was sollte sie darauf antworten?
»Wenigstens haben Sie mir die Angelegenheit von sich aus gebeichtet, das spricht für Sie. Doris Möller wird mit ernsthaften Konsequenzen zu rechnen haben, so viel ist klar. Ich würde vorschlagen, dass wir uns treffen, sobald Sie wieder gesund sind. Was die Abmahnung betrifft, werde ich den Ausgang unseres Gesprächs abwarten. Ist das in Ordnung für Sie?« Leonie kämpfte mit den Tränen. Dennoch schaffte sie es, ein kurzes Ja herauszupressen, dann legte sie auf. Immerhin hatte Thomas Regner ihr zum Abschluss noch gute Besserung gewünscht.
Von:
[email protected]An:
[email protected]Lieber Waldemar,
natürlich können wir uns künftig beim Vornamen nennen! Das ist längst fällig, denn obwohl ich Sie noch nie leibhaftig gesehen habe, waren Sie die ganze Zeit über mein treuester Kunde. Und ich verrate Ihnen auch gerne, dass ich kein allzu großer Grillfan bin, Lulu muss sich also leider eine neue Verbündete suchen! Leichte Sommersalate sind mir lieber als Würstchen. Außerdem finde ich es ungemütlich, dass einer stets die undankbare Aufgabe hat, den Grill zu bewachen, während alle anderen schon ihr Essen genießen.
Das waren sie also, Ihre beiden ganz persönlichen Fragen? Ich hatte schon Schlimmeres befürchtet …
Im Hinblick auf Ihre Terrassenplanung bitte ich noch um etwas Geduld. Ich melde mich, sobald ich eine passende Lösung gefunden habe.
Darf ich heute ebenfalls mal neugierig sein? Allmählich wüsste ich nämlich gern, was Sie eigentlich beruflich machen!
Herzlichst,
Ihre Nina
Mit einem Hauch von schlechtem Gewissen hatte sich Nina am späten Vormittag in das Hinterzimmer von Koloniale Möbel zurückgezogen und den Firmen-PC hochgefahren. Draußen goss es in Strömen, und seit über zwei Stunden hatte den Möbelladen niemand mehr betreten. Die wenigen Passanten, die Nina auf der Straße vorbeieilen sah, hatten ihre Kragen hochgeklappt und kämpften sich mit riesigen Schirmen durch das windige Regenwetter. Nina hatte Staub gewischt, Rechnungen sortiert und schließlich beschlossen, Asterdivaricatus endlich auf seine nette Mail zu antworten. Wenige Minuten später lag eine Antwort in ihrem Posteingang.
Von:
[email protected]An:
[email protected]Liebe Nina,
selbstverständlich gedulde ich mich und erwarte mit Spannung, was Sie sich für meine Terrasse einfallen lassen. Schließlich stehle ich Ihnen jedes Mal Ihre wertvolle freie Zeit! Doch heute muss ich wohl kein schlechtes Gewissen haben, da Sie um halb zwölf bestimmt noch bei Koloniale Möbel sind und ein bisschen Arbeitszeit totschlagen …? Falls es Sie tröstet: Auch bei mir geht es heute extrem zäh voran. Apropos: Ich bin Diplom-Ernährungswissenschaftler und Journalist. Ich schreibe Artikel über gesunde Ernährung, die regelmäßig in den einschlägigen Magazinen und Zeitschriften veröffentlicht werden. Hin und wieder bin ich auch als Gastrokritiker unterwegs, was mir besonders viel Freude bereitet. Sind Sie mit meiner Antwort zufrieden?
Einen schönen Tag wünscht Ihnen
Ihr Waldemar
Ernährungswissenschaftler und Gastrokritiker – das klang interessant! Träumerisch starrte Nina durch die breiten Fenster des Möbelladens. Dieser Mann hatte nicht nur eine Vorliebe für Gärten, er konnte auch noch kochen und war obendrein ein so angesehener Gourmet, dass