die Tage länger werden. In Kürze könnte sie endlich den Garten der Villa genießen und das fröhliche Zusammensein mit den Menschen, die ihr am Herzen lagen. Mit einem Mal wurde sie übermütig und bekam Lust, Asterdivaricatus um ein Treffen zu bitten. Bislang hatte sie sich nie zu diesem Schritt durchringen können.
»Ich will auch mal etwas Unvernünftiges tun!«, sagte sie zu der großen Holzgiraffe und war froh, dass nicht just in diesem Moment ein Kunde den Laden betrat.
Von:
[email protected]An:
[email protected]Lieber Waldemar,
heute habe ich eine ganz besondere Frage an Sie, und ich mache es kurz, bevor ich es mir wieder anders überlege: Wollen wir uns nicht endlich einmal treffen?
Mit vorfrühlingshaften Grüßen,
Ihre Nina
Schnell drückte sie auf »Senden« und richtete sich einen SMS-Alarm ein, der sie über neu angekommene E-Mails informieren sollte. Den Kniff hatte Stella ihr gezeigt, doch Nina hätte nicht gedacht, dass sie ihn tatsächlich jemals anwenden würde. So würde sie nicht dauernd in ihren Posteingang gucken, sondern stattdessen alle paar Minuten auf das Handydisplay, dachte sie ein wenig amüsiert, während sie noch einmal die programmierte Lautstärke kontrollierte. Hatte sie den Klingelton überhaupt eingeschaltet? Warum rührte sich Waldemar nicht?
Zwei Stunden später hatte sie immer noch nichts von ihm gehört, und Nina bereute ihre Entscheidung bereits. Bestimmt hatte er nicht das geringste Interesse daran, sie zu treffen, und sie hatte sich vollkommen lächerlich gemacht.
Am späten Nachmittag war ihre Schicht zu Ende, und sie überließ den Laden einer Kollegin. Ihr Telefon blieb nach wie vor stumm, und Ninas gute Laune verschlechterte sich von Minute zu Minute.
Das mit den Männern war offenbar ein schwieriges Kapitel in ihrem Leben. Auch Alexander Wagenbach hatte sich nach seinem überstürzten Aufbruch vor über einer Woche nicht mehr bei ihr gemeldet. Dabei hatte er bislang so ausgeglichen und souverän auf sie gewirkt. Andererseits: Je mehr Nina mitbekam, was in ihrem Umfeld so vor sich ging, desto weniger wunderte sie sich. Die Menschen waren eben nicht immer logisch und konsequent.
»Herr Svensson und ich sind der Meinung, dass eine stärkere Fokussierung auf unsere weibliche Kundschaft eine wirklich gute Idee ist!«, eröffnete Thomas Regner das Gespräch, und Leonies Herz tat einen Freudensprung. »Traumreisen ist es in diesem Bereich nie gelungen, sein Programm den aktuellen Trends und den Bedürfnissen des Marktes anzupassen. Und dies nicht zuletzt, weil in unserer Führungsetage in erster Linie Männer sitzen.«
Ingvar Svensson nickte zustimmend.
»Darum möchten wir Sie, liebe Frau Rohlfs, fragen, ob Sie sich vorstellen können, Ihr Konzept eigenverantwortlich auszubauen und in die Tat umzusetzen. Wir würden Ihnen einige Mitarbeiter an die Seiten stellen, und Sie könnten sich voll darauf konzentrieren, zielgruppenadäquate Reisemodelle zu entwickeln und sich entsprechende Vermarktungsstrategien zu überlegen.«
Leonie sah die beiden mit offenem Mund an. Das konnte doch alles nicht wahr sein. Sie sollte schon wieder befördert werden und ein eigenes Programmsegment aufbauen? War sie so einer Aufgabe überhaupt gewachsen?
»Ich weiß nicht so recht«, antwortete sie zögernd und sah ihren Vorgesetzten unsicher an. »Natürlich freue ich mich sehr, dass Ihnen meine Präsentation gefallen hat. Aber ich fürchte, dass ich bei der Konzeptumsetzung schnell an meine Grenzen stoßen würde. Ich habe kaum eigene Reiseerfahrung, was eminent wichtig wäre für eine stimmige Umsetzung des Konzepts. Sie wissen ja wahrscheinlich, was Doris Möller von meinen Voraussetzungen hält.«
Leonie konnte Ninas lautstarke Protestschreie regelrecht hören. Es stimmte, sie neigte dazu, ihr Licht unter den Scheffel zu stellen. Aber was nützte es, etwas vorzutäuschen, was man im Grunde gar nicht konnte.
»Ehrlich währt am längsten«, so war sie erzogen worden, und daran hielt sie sich auch heute noch, Selbstmarketing und Karriere hin oder her. Die ganzen neunmalschlauen Ratgeber und Persönlichkeitscoachs, die Nina und Stella immer zitierten, konnten ihr gestohlen bleiben. Vielleicht war dies der Zeitpunkt, auf den sie so lange gewartet hatte. Der Zeitpunkt für eine echte Veränderung …
»Reisen Sie denn nicht gern?«, erkundigte sich Ingvar Svensson ungläubig.
»Nein«, antwortete Leonie leise und sah ihn herausfordernd an. Ihr war selbst nicht klar,