Eine von Zweien (German Edition)
Hauptsache wir
machen erst mal den Anfang. Jetzt guck nicht so verwirrt!“ Sie schaute mich
ermunternd an.
Ich muss einen furchtbar perplexen Eindruck gemacht haben.
Woher wusste sie das? Woher wusste sie von meinem Plan, sie auf das Rezept
anzusprechen, beziehungsweise, woher wusste sie, dass ich sie aufsuchen wollte?
Ich war komplett überfordert und ja, was war das für ein Gefühl? Woher wusste
sie das?
„Aber, aber woher wusstest du das?“ Ich stammelte die Worte
nur so raus.
„Du hast keine Ahnung, wer ich bin, oder? Du hast mich kein
bisschen erkannt?“ Sie schaute mich neugierig an.
„Nein, kennen wir uns denn? Du bist doch gerade hier
eingezogen. Kennen wir uns denn aus Nürnberg?“ Ihr meine Irritation über das
ähnliche Aussehen preiszugeben, war in diesem Moment zuviel verlangt.
„Gut, dann stelle ich mich mal vor. Ich heiße Beth,
Elisabeth, Gold. Ich bin geboren in Nürnberg und meine Eltern sind Marlene und
Bernd Gold. Ich habe auch eine Schwester die heißt...“
„Alice!“ Ich konnte es nicht fassen.
„Ja, genau du hast es erfasst!“
„Das heißt, du bist, also, du bist ich?“ Mir wurde flau im
Magen, in den Beinen. All meine Logik, auf die ich mich sonst so gut stützen
konnte, verließ mich. Das konnte doch nicht sein. Das geht doch gar nicht.
„Nein, so kannst du das nun wirklich nicht sagen, schau uns
doch mal an. Wir sind doch nun wirklich sehr verschieden!“ Sie fing an zu
lachen. „Schau dich erst mal bei mir um, dann kannst du nochmal versuchen zu
erraten, wer ich bin.“ Sie zwinkerte mir zu.
„Du wirst schnell merken, dass du nicht ich sein kannst, aber
ja du hast Recht, wir waren mal ein und dieselbe Person. Das ist schon lange
her, aber da kommen wir wohl her.“
Sie fand das alles ganz normal, als ob sie davon erzählte,
dass gestern jemand auf Toilette gegangen ist. Das Normalste der Welt. Wir
waren mal die gleiche Person, sind es aber nicht mehr, sehen nur eigentlich
gleich, aus haben die gleiche Familie, heißen gleich, aber sind nicht mehr
gleich. Was ist schon dabei?! Sie redete auch einfach weiter, als ob gerade nichts
Dramatisches offenbart worden war.
„Am besten, du gehst erst mal duschen und kommst gleich danach
zu mir rüber. Ach, besser, du gehst duschen und ich schau mal in deinem und
meinem Kühlschrank und mach uns was Leckeres zum Frühstück. Was hältst du davon?“
fragte sie, in dem sie mir den Schlüssel aus der Hand nahm und mich in Richtung
meiner Wohnung schob.
Ich war einfach zu perplex, zu überrumpelt, um mich wehren zu
können. Ich ließ es einfach geschehen. Unter der Dusche hatte ich Zeit, das
Erlebte und Erfahrene durch eine plausible, realistische Erklärung verständlich
zu machen. Die einzige Erklärung, mit der ich auffahren konnte, war die
Sicherheit, dass ich mir einen Termin beim Neurologen machen sollte, um meinen
Kopf durchchecken zu lassen. So etwas kann nur bei einem Gehirntumor passieren
oder wenn sich die Psyche spaltet. Aber warte, Ben hatte sie doch auch gesehen.
Und von ihr etwas zum Essen angenommen. Aber vielleicht war das ja eine andere.
Ich werde Ben fragen müssen, sobald er wieder da ist. Oder besser noch, ich
mache ein Foto von ihr und schicke es ihm auf sein Telefon, dann habe ich schneller
eine Antwort, dann muss ich nicht noch so lange warten, bis er wieder da ist.
Das wäre eine Qual, da hätte dann der Tumor zu viel Zeit zu wachsen. So werde
ich es machen. Ich schicke ihm gleich ein Foto von unserem gemeinsamen
Frühstück. So konnte ich mich auch mit dem Gedanken anfreunden, dass sich eine
eigentlich fremde Person gerade in meiner Wohnung frei bewegt. Aber ich hätte
gerade alles getan, um eine kurze Denkpause für mich zu bekommen. Einfach kurz
meine Ruhe. Ich wollte gerade meinen Kopf an die Wand der Dusche lehnen und mir
das Wasser übers Gesicht laufen lassen, als die Badezimmertür aufgerissen wurde
und Beths Stimme ertönte.
„Pass auf, wenn du zu lange unter dem Wasser bleibst, löst
sich vielleicht noch deine Haut ab. Komm nicht auf die Idee, dich in der Dusche
oder im Bad verstecken zu wollen. Das Frühstück ist fertig und du kennst mich,
ich bin nicht gut im Warten. Ich habe Hunger.“
Für sie war das alles selbstverständlich. Ich hätte die Tür abschließen
sollen. Das mach ich sonst nie, aber ich habe sonst auch nicht fremde Menschen
in meiner Wohnung. Es war alles gerade nur surreal. Eine merkwürdige
unbeschreibliche Situation. Ich konnte das alles nicht verstehen und gab
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