Eine von Zweien (German Edition)
mehr
dafür.“ Ich wollte ihr nicht die ganze Wahrheit erzählen, ich habe überhaupt
nie jemandem die Wahrheit erzählt. Ben denkt sogar, ich hätte mit Malen, Farben
und Kunstausstellungen nichts am Hut. Ich wollte nie wieder etwas damit zu tun
haben. Es erinnerte mich an damals und da wollte ich nicht mehr hin. Die
Vergangenheit sollte in der Vergangenheit bleiben. Beth schaute mich irritiert
an. Ich bekam ein beklemmendes Gefühl. Vielleicht kannte sie die Wahrheit schon?
„Also, nur zu deiner Info“, sagte sie mit klarer Stimme. „Ich
kenne nicht alle Einzelheiten wie es dazu kam, dass wir so verschiedene Leben leben , aber wenn du mir nicht die Wahrheit sagst oder mir
etwas verheimlichst, da fühle ich etwas ganz Komisches im Bauch. Ich merke das,
wenn du mich anlügst, Lissi. Ich kann das gar nicht erklären, aber warte, ich
habe eine Idee.“ Sie kam auf mich zu, fast schon zu euphorisch.
„Frag mich etwas und ich erzähle dir eine Lüge, vielleicht
klappt es ja auch anders herum.“
„Okay!“ antwortete ich zögerlich. Der Gedanke gefiel mir gar
nicht. Ich teilte meine Erfahrungen und mein Leben nicht gerne mit Anderen.
Auch nicht mit Ben, und er war der Mensch, der mir im Leben am nächsten kam.
Den ich am nächsten an mich heran ließ. Aber wenn Beth sozusagen ich war, dann
musste ich wohl mitspielen. Ich überlegte, was mich interessierte und ich sie
fragen konnte. Ich hatte eine Idee.
„War es für dich einfach unseren Eltern zu sagen, dass du
Malerin wirst? Denn das ist ja wohl dein Beruf, oder?“
„Ja, das ist mein Beruf und es war ganz einfach. Ich habe
mich mit unserem Vater hingesetzt. Dann habe ich ihm von meinem Plan erzählt,
nicht Wirtschaft studieren zu wollen, um in seine Fußstapfen zu treten, sondern
Kunst. Das sagte ich ihm genau so.“
„Ok, ok“, rief ich aus. „Dieses Gefühl ist wirklich
unerträglich gemein. Ich weiß was du meinst.“ Mir war ganz flau im Magen
geworden. Ich hatte das Gefühl, mein Bauch würde versuchen, sich einmal um sich
selbst zu drehen.
Beth war glücklich, dass ich das gleiche Gefühl hatte. Das war
ihrem Gesicht abzulesen. Freudestrahlend kam sie auf mich zu. Auch wenn ich ihr
gerne Selbstgefälligkeit untergejubelt hätte und sie in ihrem Gesicht versuchte,
zu finden, sie war nicht da. Sie schien einfach nur zufrieden, das Problem mit den
Lügen aus der Welt geschafft zu haben, beziehungsweise, sie machte sich jetzt
bereit, es aus der Welt zu schaffen.
„Ok, machen wir einen Pakt für die Zeit, die wir hier
zusammen sein werden. Keine darf der Anderen etwas vorlügen oder verheimlichen,
sobald sie danach fragt. Wir müssen also alle gestellten Fragen der Anderen
wahrheitsgemäß und ausführlich beantworten! DEAL?“
Ich konnte mich ihrer Euphorie nicht anschließen. Ich wollte
doch gar nichts wissen. Aber letztendlich ich hatte gar keine Wahl. Das Gefühl
saß mir noch in den Knochen, besser gesagt, im Magen und ich wollte es nicht
nochmal durchleben und ihr wollte ich es auch ungern antun. Sie war ja
schließlich auch irgendwie ich. Also musste ich wohl einschlagen. Ich umfasste
vorsichtig die Hand, die sie mir entgegenstreckte.
„Ok, abgemacht“, damit waren wir durch einen Handschlag zur
kompletten Offenheit einander gegenüber verpflichtet.
Eine Sache interessierte mich dann doch. Aber ich werde erstmal noch ein wenig warten. Ich muss Beth ja nicht gleich
heute fragen. Wie es aussieht, würde sie wohl noch eine Weile in meinem Leben
sein. Ob ich es wollte oder nicht. Darauf musste ich mich jetzt einstellen.
Wenn ich ehrlich war, wenn mich schon eine Person durch mein Leben begleiten
sollte, dann noch eine zweite Version meiner selbst, das schien am
erträglichsten. Mit dieser Einsicht lächelte ich in mich hinein und musste mir,
unter Beth’s Drängen den Rest der Wohnung anschauen.
Ich war ja mal gespannt auf den Kleiderschrank. Ob sich auch ein paar Kleidungstücke,
die nicht vollgemalt oder extravagant waren, darin versteckten. Ich war sehr gespannt.
Meine Erwartungen wurden übertroffen. Der Kleiderschrank war ein
durchstrukturiertes Chaos, nichts anderes hätte ich erwarten sollen. Es gab
alle möglichen Stilrichtungen. Ein Bereich beherbergte die gemütliche
Kuschel-Kleidung. Dann gab es sehr modische, sehr bunte, sehr ausgefallenden
Kleider, die sie wohl zu den Ausstellungen anzog. Aber auch der Alltagsmix zum
Nichtmalen war vertreten. Eher sportliche Sachen. Alles war schön eingeräumt.
Also hatte auch die Kleidung
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