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Eine Welt für Menschen

Eine Welt für Menschen

Titel: Eine Welt für Menschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Mahr
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starr; das mochte an der bedauernswerten körperlichen Verfassung des Verwundeten liegen. Der Körper war völlig haarlos. Das beeindruckendste Merkmal war ohne Zweifel der Mund. Er war in der Tat riesig, wie Ashley schon bei der ersten Begegnung beobachtet hatte. Die Kieferangel befand sich in der Mitte des langgestreckten Schädels, und Ashley hatte keinen Zweifel daran, daß die maximale Mundöffnung groß genug war, um den Kopf eines Kindes passieren zu lassen. Die Aufnahme zeigte das mächtige Gebiß nicht, aber Ashley erinnerte sich an den bedrohlichen Anblick mit peinigender Deutlichkeit. Ihn schauderte noch immer, wenn er an die Emotionen dachte, die er beim Herannahen der Fremden empfunden hatte, und ihre gellenden Schreie, die einem das Blut in den Adern gerinnen ließen, schrillten ihm noch in den Ohren.
    Es paßte alles zusammen. Und doch …
    Wer mochten sie sein? Vertreter einer Art, die sich im Lauf der Jahrmillionen unabhängig von Homo auf der Erde entwickelt hatte? Fremde aus dem Raum? Ihre Kleidung wies nicht auf einen hohen Stand der Zivilisation. Sie bestand aus grob gewebten, primitiven Stoffen und war ausgesprochen spärlich. An Waffen besaßen sie lange, knorrige Stöcke, die notfalls auch für Wanderstäbe gehalten werden konnten.
    Bob Koenig und Yoshi Hashimoto traten ein. Hashimoto war einer der Ärzte des medizinischen Teams der CONQUEST. Anstelle einer Begrüßung hob er die Schultern und spreizte die Hände.
    »Mir ist schleierhaft, was wir tun sollen«, sagte er. »Sein Metabolismus besitzt nur eine entfernte Ähnlichkeit mit dem unseren. Wir haben keine Instrumente, um eine eingehende Analyse durchzuführen.«
    »Wie stehen die Aussichten, daß er es ohne fremde Hilfe schafft?«
    Hashimoto wiederholte die Geste der Ungewißheit.
    »Schwer zu sagen. Er hat zwei Durchschüsse. Glatt, würde ich sie nennen. Aber er hat eine Menge Blut verloren.«
    »Tu, was du kannst, Yoshi«, sagte Ashley resignierend. »Versucht jemand, sich mit ihm zu verständigen?«
    »Debbye. Sie versteht sich auf Informationsaustausch. Aber da muß man Geduld haben.«
    Als der Arzt gegangen war, musterte Ashley Bob Koenigs nachdenkliches Gesicht.
    »Du siehst aus«, bemerkte er mit leisem Spott, »als arbeitetest du an der Quadratur des Kreises.«
    Bob nickte. »So ähnlich«, brummte er. »Und ich mache ebenso langsam Fortschritte. Nur eins ist mir bisher klar.«
    »Was ist das?«
    »Es waren nicht die schwarzhäutigen Großmünder, die unsere sechs Leute umgebracht haben.«
     
    »Sie können es nicht gewesen sein«, bekräftigte er, als er Ashleys fassungslosen Blick bemerkte. »Wir stellen uns die Schwarzhäute als wild und gefräßig vor, als Kannibalen. Nicht wahr, das war zu Beginn der Nacht unsere Auffassung?«
    Ashley nickte, und Bob fuhr fort: »Die sechs Leichen waren häßlich zugerichtet; aber es fehlte ihnen nichts. Wenn sie einer Bande von Kannibalen in die Hände gefallen wären, hätten wir etwas anderes gefunden. Außerdem hinterlassen die Schwarzhäutigen Spuren. Glaub’s mir, ich habe sie mir angesehen. Als wir vorgestern nach Spuren suchten, fanden wir absolut nichts. Nach meiner Ansicht liegt das daran, daß wir nicht eifrig genug in die Höhe geschaut haben. Die Angreifer müssen von oben, aus den Bäumen gekommen sein. Leider ist mir das erst anderthalb Tage später eingefallen.«
    Ashley sah finster vor sich hin. Die Überlegungen, die Bob angestellt hatte, schienen fehlerfrei. Sie paßten zu seiner Ahnung, daß hier eine Menge nicht stimmte. In einem Punkt allerdings, glaubte er, gingen sie nicht weit genug. Immer wieder entstand die mitternächtliche Szene vor seinen Augen: Der Schein des Feuers fiel auf die Lichtung, die Schwarzhäute standen benommen, als hätten sie nicht in ihren übelsten Träumen damit gerechnet, auf Widerstand zu stoßen. Warum nicht? Waren sie zu beschränkt? Oder lag es daran, daß sie gar nicht in feindlicher Absicht kamen? Ihre Waffen waren primitive Stöcke. Gewiß, sie hatten große Münder und gefährliche Zähne, und ihre Schreie klangen so entsetzlich, daß einem die Haare zu Berge standen.
    Ausreichend Evidenz, ein fremdes Wesen zum Kannibalen zu stempeln? Niemals!
    Er stand auf. »Komm mit, ich will dich mit einem Freund bekannt machen«, sagte er entschlossen.
    Bislang hatte er zu niemand von seinen Unterhaltungen mit Kepler gesprochen. Er fürchtete, daß jeder, der von der Existenz des Multiplex erfuhr, sich damit die Zeit vertreiben wollte, daß er

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