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Eine wie Alaska

Titel: Eine wie Alaska Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Green
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Studien zufolge ist Marihuana gesünder als dein Nikotin«, sagte Hank.
    Alaska schluckte eine Handvoll Pommes runter, zog an ihrer Zigarette und blies Hank den Rauch ins Gesicht. »Vielleicht sterbe ich jung«, sagte sie, »aber wenigstens intelligent. Und jetzt zurück zu den Tangenten.«
Zwei Monate, zwanzig Tage vorher
    »Du hast die Frage sicher schon tausendmal gehört, aber warum Alaska?«, fragte ich. Ich hatte gerade meine Matheklausur zurückbekommen und war voller Bewunderung für Alaska, denn mit ihrer Nachhilfe hatte sie mir zu einer 2+ verholfen. An einem trostlosen, bewölkten Oktobersamstag saßen wir zu zweit im Fernsehraum und sahen MTV. Der Fernsehraum war mit den alten Sofas ausgestattet, die frühere Schülergenerationen hinterlassen hatten, und es roch muffig nach Staub und Schimmel – vielleicht war das der Grund, warum hier das ganze Jahr über fast kein Mensch herkam. Alaska nahm eine Schluck Mountain Dew und griff mit beiden Händen nach meiner Hand.
    »Irgendwann kommt die Frage immer. Also, es war so. Meine Mom war ziemlich hippiemäßig drauf, als ich klein war. Du weißt schon, sie trug immer selbstgestrickte Riesenpullover, rauchte Gras und so weiter. Mein Dad war total konservativ. Als ich geboren wurde, wollte meine Mom mich Harmony Springs Young nennen, und mein Dad wollte mich Mary Frances Young nennen.« Beim Reden nickte Alaska mit dem Kopf im Rhythmus der MTV-Musik, obwohl gerade eine dieser Rockballaden aus der Retorte lief, die sie angeblich so hasste.
    »Und anstatt mich Harmony oder Mary zu nennen, einigten sie sich darauf, dass ich mich selbst entscheiden sollte. Als kleines Kind nannten sie mich Mary. Also, tatsächlich haben sie immer Liebling und so was zu mir gesagt, aber bei der Schulanmeldung und solchen Sachen haben sie Mary Young geschrieben. Und dann, an meinem siebten Geburtstag, war mein Geburtstagsgeschenk, dass ich mir einen Namen aussuchen durfte. Cool, oder? Ich hab also den ganzen Tag damit verbracht, auf dem Globus meines Vaters nach einem richtig coolen Namen zu suchen. Meine erste Wahl war Tschad, wie das Land in Afrika. Aber mein Dad meinte, das wäre ein Jungenname, und so hab ich mir am Ende Alaska ausgesucht.«
    Ich wünschte, meine Eltern hätten mich meinen Namen aussuchen lassen. Aber sie haben gar nicht erst darüber nachgedacht, sondern mir einfach den Namen gegeben, den seit hundert Jahren alle erstgeborenen männlichen Halters bekommen. »Aber warum Alaska?«, fragte ich.
    Sie lächelte mit der rechten Hälfte ihres Mundes. »Na ja, ich hab erst später rausgefunden, was es bedeutet. Es kommt von dem aleutischen Wort Alyeska . Es bedeutet: ›Wo sich die See bricht‹, und das finde ich wunderschön. Aber damals sah ich Alaska da oben auf dem Globus. Und es war groß, so groß, wie ich auch werden wollte. Und es war weit weg von Vine Station, Alabama, verdammt weit weg, wo ich auch gerne gewesen wäre.«
    Ich lachte. »Und jetzt bist du groß und immer noch nicht weit weg von zu Hause«, sagte ich lächelnd. »Herzlichen Glückwunsch.« Sie hörte auf, mit dem Kopf zu wippen, und ließ meine (leider verschwitzte) Hand los.
    »Wegkommen ist gar nicht so einfach«, sagte sie ernst und sah mich an, als würde ich den Weg kennen, ohne sie einzuweihen. Dann wechselte sie unvermittelt das Thema. »Nach dem College, weißt du, was ich da machen will? Ich will behinderte Kinder unterrichten. Ich bin doch eine gute Lehrerin, oder? Verdammt, wenn ich dir Integralrechnung beibringen kann, kann ich jeden unterrichten. Autistische Kinder zum Beispiel.«
    Sie redete leise und bedächtig, als würde sie mir ein Geheimnis anvertrauen, und ich lehnte mich vor zu ihr, denn plötzlich hatte ich das übermächtige Gefühl, dass wir uns küssen müssten, hier und jetzt auf dem staubigen, orangen Sofa mit den Brandlöchern und dem Jahrzehnte alten Staub. Ich wollte sie küssen, wollte mich so weit zu ihr beugen, bis ich das Gesicht schräg halten musste, um ihrer geschwungenen Nase auszuweichen, und dann wollte ich den Schock ihrer weichen Lippen auf meinen Lippen erleben. Das wollte ich wirklich. Doch sie wich zurück.
    »Nein«, sagte sie, und erst wusste ich nicht, ob sie meine vom Kuss beseelten Gedanken lesen konnte oder ob sie laut mit sich selbst redete. Sie drehte sich weg und sagte leise, vielleicht zu sich selbst: »Verdammt, ich will keine von denen sein, die auf der Couch hocken und immer nur davon reden, was sie mal Großes tun wollen. Ich will es tun.

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