Eine wie Alaska
zwölf, und ich war iemmer das kleine Baby gewesen, aber an diesem Tag haben meine Eltern mich gebraucht, und sie haben mich behandelt wie eine Erwachsene. Weil sie die Sprache niecht konnten, versteht ihr? Sie brauchten mich, um Essen zu bestellen und um die Formulare für den Zoll und die Einwanderungsbehörde auszufüllen und all das. Und da haben sie aufgehört, mich wie ein kleines Kiend zu behandeln. Außerdem, in Rumänien waren wir arm. Hier sind wir iergendwie reich.« Sie lachte.
»Also gut.« Takumi griff grinsend nach der Weinflasche. »Ich verliere. Der schönste Tag meines Lebens war der, an dem ich meine Jungfräulichkeit verlor. Und wenn ihr denkt, dass ich euch die Geschichte erzähle, müsst ihr mich schon betrunkener machen.«
»Nicht schlecht«, sagte der Colonel. »Gar nicht schlecht. Wollt ihr von meinem schönsten Tag hören?«
»So geht das Spiel, Chip«, sagte Alaska gespielt genervt.
»Der schönste Tag in meinem Leben hat noch nicht stattgefunden. Aber ich weiß, was an dem Tag passiert. Ich sehe es jeden Tag vor mir. Der schönste Tag in meinem Leben ist der Tag, an dem ich meiner Mutter eine gottverdammte Villa hinstelle. Und zwar nicht irgendwo im Wald, sondern mitten in Mountain Brook, wo die Eltern der Tagestäter wohnen. Wo eure Eltern wohnen. Und ich kaufe die Villa auch nicht auf Kredit. Ich zahle bar, und dann fahre ich meine Mom hin, gehe ums Auto und halte ihr die Tür auf, damit sie aussteigen kann und sich ihre Villa ansehen kann – eine Villa mit einem Gartenzaun und zwei Stockwerken und allem drum und dran. Und dann gebe ich ihr den Schlüssel zu ihrer Villa und sage: ›Danke.‹ Mann, sie hat mir geholfen, mich für Culver Creek zu bewerben. Und sie hat mich gehen lassen, und das ist keine Kleinigkeit, wenn man da herkommt, wo wir herkommen – seinen Sohn auf ein Internat zu schicken. Das ist der schönste Tag meines Lebens.«
Takumi setzte die Flasche an und trank noch einen Schluck, dann reichte er mir die Flasche. Ich trank und Lara auch, und dann nahm Alaska die Flasche und legte den Kopf in den Nacken und trank das letzte Viertel der Flasche aus.
Als sie die nächste Flasche aufschraubte, lächelte Alaska den Colonel an. »Die Runde geht an dich. Und was war dein schlimmster Tag?«
»Der schlimmste Tag war, als mein Dad abgehauen ist. Er ist uralt – wahrscheinlich fast siebzig heute. Er war schon alt, als er meine Mom geheiratet hat, und trotzdem hat er sie betrogen. Und sie hat ihn erwischt und war stinksauer, und da hat er sie geschlagen. Sie hat ihn rausgeworfen. Ich war hier, und als meine Mom anrief, erzählte sie mir nichts von der ganzen Betrügerei und den Schlägen, erst später. Sie sagte nur, dass er weg sei und nicht zurückkommen würde. Seitdem hab ich nichts mehr von ihm gehört. Den ganzen Tag hab ich gewartet, dass er mich anruft und mir alles erklärt, aber das hat er nicht getan. Er hat nie wieder angerufen. Ich hab gedacht, er würde sich wenigstens verabschieden oder so was. Das war der schlimmste Tag in meinem Leben.«
»Verdammt, du hast mich schon wieder geschlagen«, sagte ich. »Mein schlimmster Tag war in der siebten Klasse, als Tommy Hewitt auf meine Turnsachen gepinkelt hat, und der Sportlehrer sagte, dass ich mein Trikot trotzdem anziehen muss, sonst würde er mir eine Sechs geben. Sport in der siebten Klasse, versteht ihr? Es gibt Schlimmeres, als da ne Sechs zu kriegen. Aber damals war es eine große Sache, und ich heulte und versuchte, dem Lehrer zu erklären, was passiert war, aber es war so peinlich, und er hat nur geschrien, geschrien, geschrien, bis ich mir die vollgepissten Shorts und das vollgepisste T-Shirt anzog. An dem Tag hab ich aufgehört, mich darum zu kümmern, was die anderen denken. Es war mir egal. Dass ich ein Versager war, dass ich keine Freunde hatte und so weiter. Ich schätze, irgendwie war es gut für mich, aber in dem Moment war es schrecklich. Ich meine, stellt euch vor, ihr müsst in einem vollgepissten Trikot Volleyball oder sonst was spielen, und Tommy Hewitt erzählt es auch noch jedem? Das war der schlimmste Tag meines Lebens.«
Lara lachte. »Tut mir leid, Miles.«
»Schon gut«, sagte ich. »Erzähl uns einfach von deinem schlimmsten Tag, damit ich über dein Unglück lachen kann«, und ich lächelte sie an, und dann lachten wir zusammen.
»Mein schliemmster Tag war wahrscheinliech derselbe Tag wie der schönste. Ich musste alles hienter mir lassen. Ich meine, es kliengt vielleicht blöd,
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