Eine wie Alaska
bisschen, und ich wollte den Mund nicht von ihr nehmen, doch dann rollte sie unter mir heraus, legte den Kopf auf meine Brust und war eingeschlafen.
Wir schliefen nicht miteinander. Wir waren nicht mal nackt. Ich habe ihre nackte Brust nicht berührt, und sie hat die Hand nicht an meiner Hose gehabt. Doch all das spielte keine Rolle. Während sie schlief, flüsterte ich: »Ich liebe dich, Alaska Young.«
Später, als ich gerade am Einschlafen war, meldete sich der Colonel: »Mann, hast du gerade mit Alaska rumgemacht?«
»Ja.«
»Das wird ein schlimmes Ende nehmen«, murmelte er wie zu sich selbst.
Und dann war ich eingeschlafen. Dieser bleierne Schlaf, ihr Geschmack noch in meinem Mund, dieser Schlaf, aus dem man, obwohl er nicht sehr erholsam ist, nur schwer erwacht. Und dann hörte ich, wie draußen das Telefon klingelte. Glaube ich. Und ich glaube, obwohl ich mir nicht sicher bin, dass ich spürte, wie Alaska aufstand. Ich glaube, ich hörte, wie sie ging. Glaube ich. Wie lange sie weg war, kann ich nicht sagen.
Der Colonel und ich, wir wachten beide auf, als sie zurückkam, wann immer das war, denn sie schlug die Tür zu und heulte wie an jenem Tag nach Thanksgiving, nur viel, viel schlimmer.
»Ich muss hier raus!«, schluchzte sie.
»Was ist los?«, fragte ich.
»Ich hab’s vergessen! Gott, wie oft muss ich noch alles verbocken?«, sagte sie. Ich hatte nicht mal Zeit, mich zu fragen, was sie vergessen hatte. Sie schrie: »ICH MUSS WEG. HELFT MIR HIER RAUS!«
»Wo willst du denn hin?«
Sie sank aufs Bett und ließ schluchzend den Kopf zwischen die Beine hängen. »Bitte, lenkt den Adler ab, damit ich weg kann. Bitte.«
Der Colonel und ich antworteten im gleichen Moment, ebenbürtig in unserer Schuld: »Okay.«
»Du lässt die Lichter aus«, sagte der Colonel. »Du fährst ganz langsam, ohne Scheinwerfer. Bist du sicher, dass du das schaffst?«
»Scheiße«, sagte sie. »Lenkt den Adler für mich ab.« Sie schluchzte wie ein kleines Kind. »Oh Gott, oh Gott. Es tut mir so leid.«
»Okay«, sagte der Colonel. »Lass den Motor an, wenn du die zweite Schnur hörst.«
Wir gingen los.
Wir sagten nicht: Fahr nicht. Du bist betrunken.
Wir sagten nicht: Wir lassen dich so nicht Auto fahren.
Wir sagten nicht: Wir kommen mit, keine Widerrede.
Wir sagten nicht: Es kann bis morgen warten. Alles kann bis morgen warten.
Wir holten die drei Schnüre Böller aus dem Versteck unter dem Waschbecken in unserem Zimmer und rannten zum Adlerhorst. Wir waren uns nicht sicher, ob es noch einmal klappen würde.
Doch es klappte. Der Adler stürmte aus dem Haus, kaum war die erste Schnur losgegangen – anscheinend hatte er nur darauf gewartet –, und wir rannten in den Wald und lockten ihn weit genug raus, dass er nicht hörte, wie sie wegfuhr. Der Colonel und ich nahmen einen Umweg zurück, wateten durch den Bach, um Zeit zu sparen, stiegen durchs Fenster in unser Zimmer ein und schliefen wie die Murmeltiere.
DANACH
Der Tag danach
Der Colonel schlief den unerholsamen Schlaf des Betrunkenen, und ich lag auf dem Rücken in meinem Bett mit bitzelndem, kitzelndem Mund, als wäre ich immer noch beim Küssen, und wahrscheinlich hätten wir beide die erste Stunde verschlafen, wenn nicht der Adler um acht Uhr an die Tür geklopft und uns geweckt hätte. Ich rollte auf die Seite, als er die Tür öffnete und die Morgensonne das Zimmer flutete.
»Kommt bitte in die Turnhalle«, sagte er. Ich blinzelte, doch der Adler war unsichtbar im grellen Sonnenlicht. »Jetzt gleich«, sagte er, und da war mir alles klar. Wir waren dran. Erwischt. Zu viele blaue Briefe verschickt. Zu viel gefeiert in zu kurzer Zeit. Warum hatten die beiden gestern auch trinken müssen? Und dann schmeckte ich sie wieder, den Wein und den Zigarettenrauch und den Lippenbalsam und Alaska, und ich fragte mich, ob sie mich nur geküsst hatte, weil sie betrunken war. Werft mich nicht von der Schule , dachte ich. Bitte. Ich habe doch gerade erst angefangen, sie zu küssen.
Als hätte er meine Gedanken gelesen, sagte der Adler: »Es geht nicht um euch. Aber ihr müsst jetzt bitte in die Turnhalle kommen.«
Ich hörte, wie sich der Colonel über mir umdrehte. »Was ist denn los?«
»Etwas Schlimmes ist passiert«, sagte der Adler und schloss die Tür.
Als ich meine Jeans vom Boden aufhob, sagte der Colonel: »So was Ähnliches gab es vor ein paar Jahren schon mal. Damals ist Hydes Frau gestorben. Ich schätze, jetzt hat es den Alten erwischt. Das arme
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