Eine Wiener Romanze: Roman (German Edition)
sehr recht, meine Liebe.«
»Schimpf und Schande! Pfui! Du willst ein junger Mann sein? Du hast überhaupt keine männlichen Triebe!«
»Was verdienst du gewöhnlich für deinen Anteil? Diesen Betrag werde ich dir bezahlen, so verlierst du nichts.«
»Ich spucke drauf !« Und einen Moment später: »Gefalle ich dir etwa nicht? Geld kann ich dir noch abgeben! Ich verdiene genug! Ich könnte reich sein, wenn ich wollte, die eleganteste Erscheinung in der ganzen Stadt! Kleider aus den erstklassigen Salons, eine Villa, verstehst du? Vielleicht werde ich einwilligen, hängt allein von mir ab! Übermorgen kommt mein alter Baron. Ich brauche nur ein Wort zu sagen, und er wird glücklich sein, sein Geld für mich verschwenden zu dürfen. Kapiert?«
»Kapiert.«
»Sollen wir uns morgen in der Stadt treffen? Ein privates Rendezvous. Du gefällst mir. Möchtest du um sechzehn Uhr in das Kaffeehaus gegenüber vom Museum kommen? Ich gehe oft dorthin.«
Rost wich aus, er könne es nicht versprechen.
»Bei mir würdest du leben wie ein Prinz«, fuhr Karolin fort, und ihre grünen Augen funkelten vor Aufregung, »ich werde das Angebot meines Barons annehmen. Er ist steinreich, ein ungarischer Magnat. Er lässt mir immer ein paar Hunderter da, wenn er herkommt, insgeheim natürlich, ohne Wissen der Hausherrin. Dieser Ring hier«, sie hielt ihm den Finger mit einem großen Saphir am Ring hin, »auch ein Geschenk von ihm.«
»Ein schöner Ring.«
»Also, möchtest du?«
»Vielleicht ein andermal, in den nächsten Tagen kann ich nicht.«
Fritz Anker kam zurück. Einen Augenblick herrschte beklommene Spannung, ausgelöst durch Ankers Verlegenheit. Er schüttete ein paar Gläser in sich hinein, um die Verlegenheit zu vertreiben, aber da er ein ewig forschender Mensch war, der sich, geradezu krankhaft wach, pausenlos mit sich selbst und seinem Innenleben beschäftigte, fiel es ihm schwer, sein Bewusstsein mit Alkohol zu benebeln. Er verabscheute sich, wie immer nach solchen Abenteuern. Fühlte sich unrein, heruntergekommen, besudelt, degeneriert, und die Distanz zu der anderen, angeblich reinen Welt, in der Liebe und saubere Verhältnisse, bar jeden Hintergedankens, regierten, wuchs dadurch ins Grenzenlose. Er trank viel. Es war nicht mehr früh. Um die Abscheu vor sich selbst noch zu steigern oder sie vielleicht wenigstens kurzfristig zu vergessen, zu vertuschen, ging er mit Karolin hinaus.
Rost saß gelangweilt da. Er erriet in etwa Ankers Seelenzustand, empfand ein bisschen Mitleid mit ihm und wartete deshalb geduldig auf ihn. Felix von Brunnhof kam noch einmal herüber.
»Ich habe mich von meinen Begleitern verabschiedet.«Er fügte hinzu: »Gestern war ich vielleicht etwas zu sehr … verzeihen Sie mir bitte.« Seine Augen blickten wieder melancholisch, und er wirkte jetzt stocknüchtern. »In Etablissements wie diesem«, sagte er, »ist das hervorstechende Merkmal doch die Langeweile, finden Sie nicht? Dieses offensichtliche, betonte Bemühen, sie zu überwinden, unterstreicht ihr Vorhandensein erst recht. Wenn nun ein Krieg ausbräche – dann würde ich bereitwillig … In Friedenszeiten ist ein Militärmann doch völlig überflüssig. Ein sinnloses Leben, wie beim Insassen eines Altersheims, so dass einem schließlich die einfache Lebensfreude abhandenkommt, ohne dass man wüsste, warum.«
Rost rauchte schweigend, während der Offizier sich in Fahrt redete.
»Sehen Sie, wir, ein altes, hoch kultiviertes Volk, gehen der Dekadenz entgegen – wir Aristokraten, meine ich. Beim einfachen Volk sind natürlich noch viele vitale Kräfte vorhanden. Sehen Sie, dieses ganze Gebäude, das Gebäude der Monarchie, wird letztlich zusammenbrechen, es besitzt kein festes Fundament, alles verrottet und degeneriert in den oberen Etagen. So ist es.«
Anker kam zurück, und sie gingen zu dritt. Draußen herrschte nachmitternächtliche Stille. An der Ringstraße saßen die Kutscher zusammengekauert auf ihren Böcken, ebenfalls still. Die Pferde hielten schicksalsergeben die Köpfe gesenkt. Eine ruhige, nicht schmerzliche Traurigkeit lag in der Luft. Zuweilen tauchte die Mondsichel zwischen den Häusern auf, verschwand wieder und zeigte sich erneut, im Nichts hängend. Das Leben schien in einen dünnen, durchsichtigen Schleier gehüllt zu sein. Blicktest du durch diesen nächtlichen Schleier auf den kommenden Morgen und die Reihe der nachfolgenden Tage, bis in alle Ewigkeit, fieberte dein Herz all diesen Veränderungen und
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