Eine Wohnung mitten in der Stadt (German Edition)
so unerfahren war, er befreite mich.
Unsere Affäre explodierte geradezu. Mein Verstand spielte verrückt, suchte nach Gründen, Malvyn sofort komplett aus meinem Leben zu verbannen, aber jedesmal, wenn ich das Endgültige aussprechen wollte, faßten meine Hände nach ihm, zogen sie ihn an mich heran und hielten ihn fest.
Zu Beginn verbrachten wir nie mehr als ein oder maximal zwei Stunden miteinander; mehr hätten wir nicht ertragen. Diese Anziehung war so intensiv, daß sie uns beide ängstigte. Aber schon bald gingen wir hitziger aufeinander zu, unbedachter, vorbehaltloser. Dann, im August, verbrachte er fast jede Nacht bei mir. Er kam kurz vor Mitternacht und blieb bis zum Morgengrauen. Unser Leben wurde wie das von Vampiren, wir verschliefen den Tag, um in der Nacht wach sein zu können, mehr noch: um in der Nacht aufzuleben.
Unser Zusammensein war keineswegs nur erfüllt von wildem Sex. Das meiste waren zärtliche Berührungen, Liebkosungen, Streicheleien. So ungezügelt es erschien, es war ein sanftes, vorsichtiges Annähern an das Gefühl, wie es mit einem anderen sein könnte, wie es sich anfühlen könnte, das Leben zu teilen.
Meine Gefühle für Malvyn wurden zeitweise so laut, daß ich die Schuldgefühle überhörte, die mir einreden wollten, ich sei Christian untreu geworden. Anfangs nur kurz, dann für immer längere Phasen, bis ich sie schließlich gar nicht mehr hörte.
Es war in einer Nacht im späten August, Malvyn lag schlafend in meinem Arm, da schaute ich durch das Fenster hinüber zu der Wohnung, in der Christian gelebt hatte, und mir wurde klar, daß meine Liebe zu ihm durch nichts gemindert werden konnte, kein Mann, kein Ding würde sie je ersetzen; sie existierte in einer anderen Zeit, in einer anderen Welt. Ich erkannte, daß ich sie nicht mehr festhalten mußte, ja, daß sie auflebte, wenn ich sie gehen ließ, daß sie in meiner Zuneigung für Malvyn sogar neue Blüte erfuhr. Ich konnte lieben, ohne Christian zu verraten, ja, ich konnte es wirklich.
Malvyn und ich, das waren zwei Kometen, die im Affenzahn durchs Weltall rasten, jeder in seiner Geschwindigkeit, jeder mit einer anderen Laufbahn. In den Jahrmillionen, die wir existierten, kreuzten sich unsere Wege; für ein paar Tage nur kamen wir uns näher und drifteten dann wieder auseinander, rasten weiter, ohne zu wissen, welche Kräfte uns führten und wohin sie uns trieben.
Es war nicht unsere Aufgabe, zu verschmelzen, um ein neues Planetensystem zu formen. Alles, was wir tun sollten, war uns gegenseitig ein wenig aus der Bahn zu lenken und dem Rest des Weltalls einen gehörigen Schrecken einzujagen.
Edvard *
Am Freitagnachmittag vor der Party wartete ich mit Oma auf Bernhards Schwester Gudrun, die sie abholen wollte, um mit ihr ein Wochenende in den Bergen zu verbringen, nur damit Berni unseren Jahrestag ohne sie begehen konnte. Ich kam mir vor wie der letzte Arsch.
Ständig verwickelte sie mich in Gespräche, wie wichtig doch der Zusammenhalt in der Familie sei, daß sie ohne ihre Kinder längst keinen Grund mehr hätte zu leben und wie lieb wir zu ihr seien. Was hätte ich darauf erwidern sollen?
„Haben Sie was von Raimondo gehört?“ fragte ich sie, um abzulenken.
Frau Moll senkte den Kopf und schüttelte ihn.
„Sie sollten ihn mal anrufen!“ sagte ich.
„Sie wissen doch, daß die Ärzte ihm Ruhe verordnet haben.“
Bis vor drei Wochen waren es vor allem die Stunden mit Lydia gewesen, die Adrians Verfall für ihn erträglich machten. Und wenn ihm tatsächlich etwas an Bernhards Mutter lag … „Ach, was“, sagte ich. „Ich glaube eher, daß Raimondo vor Sehnsucht nach uns vergeht.“
„Aber Bernhard würde sicher …“
„Sie dürfen Berni nicht so ernst nehmen“, sagte ich. „Raimondo ist nicht einer seiner Schüler. Und Sie sind es auch nicht. Wenn Sie ihn anrufen wollen, dann tun Sie es einfach.“
Just in dem Moment kam mein Mann nach Hause. „Tag, Oma. Tag, Edvard.“ Er gab mir einen Kuß zur Begrüßung, drückte die Schulter seiner Mutter, ging beschwingt um den Tisch herum und setzte sich. „Gudrun steht schon vor der Tür.“
„Ach herrje. Kommt sie denn nicht rauf?“
„Doch, doch. Sie sucht nur noch einen Parkplatz“, antwortete er ihr. „Und? Hast du alles gepackt?“
Ich beobachtete ihn mit einem gewissen Maß an Verwunderung. Inzwischen hatte seine Mutter fast drei Monate bei uns gelebt, sie hatte uns Händchen halten und küssen sehen, sie hatte sich nicht von unserem
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