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Eine Wohnung mitten in der Stadt (German Edition)

Eine Wohnung mitten in der Stadt (German Edition)

Titel: Eine Wohnung mitten in der Stadt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Niederwieser
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gespürt, es aber nie vom Ziel meiner Begierde gestillt bekommen. Als beides dann zum ersten Mal zusammenkam, der Mensch und die Sehnsucht, die Lust und die Erfüllung, tat es einen Schlag und setzte so viel Energie frei, daß ich in die neue Welt hineinlaufen wollte und schreien: „Ich hab’s getan. Ich bin schwul. Ich bin frei, yeepeeh!“
    Ich verbrachte viel Zeit mit Mäxx, so viel, wie er nur erlaubte – die gedrückte Stimmung zu Hause trieb mich ohnehin immer wieder hinaus. Sobald ich zu ihm durchgedrungen war, zeigte er sich sanftmütiger, als ich es erwartet hätte: Manchmal hielt er mich einfach nur und streichelte meinen Körper, von meinen Ohren über meine Nase bis hinunter, so weit seine Arme reichten. Mir war das fast unerträglich, denn innerlich vibrierte ich dermaßen, daß ich aufspringen wollte, mich auf ihn stürzen und Sex haben. Aber er bat mich immer wieder, stillzuhalten, zu verharren und zu warten. Und je mehr ich ihn gewähren ließ, je länger ich stillhielt und ihn liebkosen ließ, desto mehr verstand ich auch, warum er diesen Teil von sich so schützen mußte: Er war genauso unerfahren wie ich, genauso empfindlich und verletzlich – das war wohl auch der Grund, warum wir, wenigstens vorübergehend so gut zueinanderpaßten.
    Mäxx hatte das zwar behauptet, aber ich hatte es ihm nicht geglaubt. Jemand wie er mußte doch Erfahrung haben: Autor von gefühlvollen Romanen, der sich auch Pornogeschichten ausdenken konnte, die vor emotionaler Spannung nur so knisterten.
    Wären meine Augen offen gewesen, sie hätten Raimondo und Nani beobachtet, und sie hätten gesehen, daß die Liebe immer jung blieb, immer unerfahren, immer zerbrechlich und jedem Einfluß ausgeliefert wie eine Knospe im Frühjahr dem Frost.
    Diese ersten beiden Wochen im August waren also turbulent für uns alle. Kein Wunder, daß Hannah darauf mit Krankheit reagierte. Das begann damit, daß sich keiner so richtig Zeit nahm, ihr zu erklären, was mit ihrem geliebten Onkel Adrian geschehen war. „Onkel“ durfte man im Haus Bornheimer-Moll ohnehin nicht verwenden, aber wie hätte man ihn sonst nennen sollen? Kim war zu sehr damit beschäftigt, rothaarige Models, die sich an südafrikanischen Stränden einen Fingernagel eingerissen hatten, übers Telefon zu trösten oder eine ganz bestimmte Sorte Zwieback dorthin einfliegen zu lassen, weil sie sonst verhungert wären. Ed und B fanden keine Worte über den Tod, und das katholische Zeug von Himmel und Hölle, was Nani daherstammelte, war eher dazu geeignet, der kleinen Hannah Angst einzuflößen.
    Dann verschwand auch noch Mondo von der Bildfläche, und wenn man in Betracht zog, welche Rolle er in Hannahs Leben bis dato eingenommen hatte, dann fehlte plötzlich eine Menge. B weigerte sich, Goldlöckchen in die Klinik mitzunehmen, was dazu führte, daß sie ihn erst nach zehn Tagen in der Lauterbachklinik besuchen durfte, während der jedoch ihr ganzes Umfeld sich über die „Krankheit“ ihres Quasi-Opas unterhielt. Vermutlich malte sie sich in ihrer Fantasie Schauerliches aus.
    Tja, und dann natürlich noch die Atmosphäre in der Wohnung, die sich zu einem heftigen Sommergewitter zusammenbraute. Jeder – einschließlich mir – war so mit sich beschäftigt, daß für die kleine Maus nur noch wenig Aufmerksamkeit übrigblieb. Was hätte sie denn sonst für eine Wahl gehabt, außer krank zu werden?
    Innerhalb einer Stunde entwickelte sie einundvierzig Grad Fieber und einen hochroten Kopf; man hätte sie mit einem Streichholz verwechseln können. Sie legte sich jedoch nicht etwa still ins Bett und brütete ihre Krankheit aus, sondern hopste und tanzte wie wild geworden durch die Wohnung.
    Doch ein Dämon, dachte ich. Er war von Raimondo auf Ed und B übergesprungen und hatte jetzt Hannah erwischt.
    Der Arzt, den Ed gleich daraufhin anrief, verordnete Eis am Stiel, weil er das als das probateste Mittel ansah, Hannahs Fieber schnell zu senken. Als er zwei Stunden später kam, mußte er ihr ein Beruhigungsmittel geben, weil sie sonst nicht zu bändigen gewesen wäre. Dann stellte mich Edvard ab, an ihrem Bett sitzen zu bleiben und sie zu beobachten. Ausgerechnet mich, ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt.
    Da saß ich nun, kämmte, wusch und wickelte die Lieblingspuppe Gretl, weil sich meine kleine Schwester zu schwach dazu fühlte, und las aus einem Kinderbuch vor, das von einer jungen Katze erzählte, die die Sicherheit des Stalls verließ, um den Bauernhof zu erkunden.
    Zwei Tage

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