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Eine Wohnung mitten in der Stadt (German Edition)

Eine Wohnung mitten in der Stadt (German Edition)

Titel: Eine Wohnung mitten in der Stadt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Niederwieser
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und ruhig, versuchte dabei, mich auf den Beckenboden zu konzentrieren, dann visualisierte ich ein heilendes, hellgelbes Licht, das Bernhard und mich wie eine Glaskugel umschloß. Nach mehreren Atemzügen ging ich zum Fenster, um die Rolläden hochzuziehen und durchzulüften, da erst kriegte ich mit, daß Bernis Bettzeug auf der Luftmatratze auf dem Boden lag.
    Meine Knie wurden weich. Ich sank auf das Bett zurück und stützte mich ab. „Das kann doch nicht wahr sein. Das träumst du doch nur“, sagte ich laut zu mir.
    Visualisieren: hellgelbes Licht überall! „Es ist alles in Ordnung“, sagte ich mir. „Es ist alles in Ordnung. Es ist alles in Ordnung.“
    Ich nahm sein Bettzeug, schüttelte es auf und legte es zurück, wo es hingehörte, dann ließ ich die Luft aus der Matratze, faltete sie zusammen und schob sie unters Bett. Erst dann zog ich mich an. Obwohl mir eher nach Verkriechen zumute war, ging ich hinaus. Fünf Jahre, Mensch. Fünf Jahre. Bernhard wird doch nicht wegen Sex alles aufs Spiel setzen, oder?
    Ich trat hinaus und wurde begrüßt. Der Tisch war gut besetzt, ich zwängte mich zwischen Sieglinde und Mutter Lydia. „Tut mir leid, Leute. Ich hab ein bißchen zu viel getrunken. Amüsiert euch, ich brauche erst einen Kaffee, bevor ich ansprechbar bin.“
    Gudrun sprang auf und brachte mir eine Tasse.
    „Es ist wirklich schön, daß wir Sie endlich mal kennengelernt haben, Frau Moll“, sagte Gernot, der mit seinem Freund Jan aus Kiel angereist war, auch ein Paar, das ich schon ewige Zeiten kannte.
    „Ja, wir haben oft gerätselt, was da wohl für eine Familie hinter Bernhard steckt.“ Das war Ernst, von Ernst und Michael. Aber Michael war jetzt mit Andreas zusammen, mit dem ich vor Jahren mal was gehabt hatte. Michael hatte ich auf der Party gar nicht gesehen.
    Ich schaute zu Bernhard hinüber, der seine Arme verschränkt hatte und finster auf seinen Teller starrte. Ob ich zu ihm gehen sollte und ihn küssen? So wie er dreinschaute, hätte das in einem Desaster enden können. Es war vielleicht besser, die Sache erst mal auf sich beruhen zu lassen. Ich schloß die Augen und dehnte die Kugel aus hellgelbem Licht über den ganzen Tisch aus. „Es ist alles in bester Ordnung“, sagte ich mir vor.
    „Es hat mich auch sehr gefreut, Sie kennenzulernen“, antwortete Mutter Lydia höflich. „Ich bin froh, daß meine Söhne so viele Freunde haben. Bis vor ein paar Wochen wußte ich sehr wenig über Männer wie Sie. Ich muß zugeben, daß ich nicht einmal ahnte, wie viele in so schönen Beziehungen leben.“ Lydia warf jedem Paar ein Lächeln zu. Es stimmte mich glücklich zu sehen, daß sie sich unter so vielen Schwulen wohl fühlte.
    Bernhard lehnte sich in seinem Stuhl zurück; er wirkte blaß, seine Augen waren schwarz umringt. Dann legte er die Hände in den Schoß und faltete sie so fest, daß die Knöchel weiß anliefen.
    „Wirklich feine Menschen, das muß ich schon sagen. Jeder von ihnen“, sagte Mutter Lydia.
    „Ja“, preßte Berni verbissen hervor. „So fein, daß Edvard mit jedem schon mal Sex hatte.“ Dann sprang er auf und lief aus der Tür. Ich wäre am liebsten im Boden versunken.
    Eine betretene Stille legte sich über den Frühstückstisch. Viele steckten den Kopf zwischen die Schultern, nur einige taten plötzlich so, als hätten sie noch Hunger und suchten zwischen den Marmeladegläsern verzweifelt nach etwas, mit dem sie diesen Zwischenfall hätten ungeschehen machen können.
    Mutter Lydia fand als erste die Worte wieder. „Noch jemand Hunger? Sie haben alle noch einen weiten Weg vor sich. Sie sollten essen.“
    „Nein danke. Ich hab wirklich genug“, sagte Friedrich, der Pastor aus Hamburg, und zupfte seinen angetrauten Helmut am Hemd. „In jeder Hinsicht“, sagte dieser, der immer eine spitze Bemerkung parat hatte. Dann erhoben sie sich von ihren Stühlen.
    „Also, ich werde dann mal die Hühner satteln, Ed.“ Ich schaute auf; es war mein Schulfreund Stefan, der mir seine Hand auf die Schulter gelegt hatte und sich jetzt räkelte. Dann beugte er sich zu mir herunter und küßte mich. „He, halt die Ohren steif. Okay?“ Dann flüsterte er mir noch ins Ohr: „Und wenn du reden willst, ruf an.“
    Ich stand auf und umarmte ihn. Am liebsten hätte ich geheult, aber eine Szene an diesem Tag war genug. Nacheinander umarmte und küßte ich meine Freunde; sie verabschiedeten sich, und zurück blieben Malv, Gudrun, Sieglinde und Mutter Lydia.
    „Meinst du, es hat Sinn,

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