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Eine Wohnung mitten in der Stadt (German Edition)

Eine Wohnung mitten in der Stadt (German Edition)

Titel: Eine Wohnung mitten in der Stadt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Niederwieser
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auf Bernhard zu warten?“ fragte Sieglinde, die eine sehr pragmatische Ader hatte, wie sich später noch herausstellen sollte.
    „Weiß nicht. Kann ich nicht sagen“, antwortete ich.
    „Was hat er denn jetzt schon wieder?“ fragte Gudrun. „Er war gestern abend schon so gereizt.“
    „Keine Ahnung“, sagte ich. „Partys waren noch nie sein Ding.“
    Die Schwestern beschlossen, einen Spaziergang zu unternehmen und noch einmal vorbeizuschauen, bevor sie die Heimreise antraten. Sobald sie aus der Tür waren, räumte ich den Tisch ab.
    Malvyn half nur widerwillig mit. Er hatte am Abend einen jungen Meeresbiologiestudenten kennengelernt, mit dem er für heute verabredet war. Ich hatte ihn kurz gesehen – wenn ich mich nicht irre, hatte Kim ihn mitgebracht –; ein schmales Jüngelchen mit einem recht dürftigen Technobärtchen, langem Haar und Wollmütze, zarten schlanken Fingern, die er tief in die Taschen seiner Snowboarderhose vergrub, sobald er mich sah.
    „Ich hab Junior versprochen, pünktlich zu sein.“
    „Wenn ihm was an dir liegt, wird er schon warten“, fauchte ich ihn an.
    „He, Bruder. Was ist denn in dich gefahren?“
    „Sorry, Malvyn. Tut mir leid. Is ’n Scheißtag. Geh! Ich mach das schon.“
    Er kam zu mir herüber und legte seinen Arm um meine Schulter. „Laß dich nicht hängen, Bruder. Das renkt sich schon wieder ein.“
    Ja, das hatte ich vorher in der Wanne auch noch gedacht, aber nach dieser Szene von meinem Angetrauten schien mir das plötzlich sehr fraglich.
    „Komm, hau ab! Du kommst zu spät. Und heute abend erzählst du mir, warum du nicht mit Max unterwegs bist.“
    „Okay.“ Er gab mir einen Kuß und lief dann los.
    Ich stützte mich einen Moment lang am Tisch ab, dann stellte ich die Teller zusammen und wollte sie gerade in die Küche bringen, da kam Mutter Lydia aus der Toilette: „Edvard, mein Junge. Es tut mir so leid“, sagte sie. Ihr tat es leid, wie sich Bernhard verhalten hatte? „Du darfst jetzt nicht verletzt sein!“
    Verletzt? Wir hatten schon öfters Auseinandersetzungen; seine Reaktion war immer dieselbe: Eiseskälte, Rückzug, Schweigen. Ich kannte das, wir hatten das schon diverse Male durchexerziert, und trotzdem verletzte es mich jedesmal aufs neue. „Nein, nein, ich bin nicht verletzt“, sagte ich und versuchte zu lächeln.
    Sie legte mir eine Hand an die Wange, ihre alte, weise Hand; mir stiegen sofort Tränen in die Augen. „Weißt du“, sagte sie, „Bernhards Vater hat nie gelernt, sich auszudrücken. Ich habe die besten Jahre meines Leben damit zugebracht, mir Vorwürfe zu machen und mich schuldig zu fühlen, wenn er eine seiner … Launen hatte.“ Sie schaute zur Seite, als würde sie überlegen. „Manchmal glaube ich, daß auch Männer ‚ihre Tage‘ haben.“ Sie schmunzelte, und ich mußte es auch.
    Stimmt, Berni war oft einfach nur mies drauf, keine Ahnung, warum.
    „Was ich sagen will: Ich habe mich schlecht gefühlt, obwohl ich nichts hätte ändern können. Bernhard ist genau wie sein Vater.“ Sie hatte offensichtlich keine Ahnung, was auf der Party passiert war.
    „Mmm“, raunte ich und beugte mich wieder zu den Tellern hinunter, um sie aufzuheben und in die Küche zu tragen.
    Aber Lydia ließ meinen Arm nicht los. „Komm! Laß uns darüber sprechen!“
    „Worüber?“ Ich blieb stehen, aber ich konnte ihr nicht in die Augen schauen.
    „Es hat etwas mit Sex zu tun, nicht wahr?“
    Mir lief ein Schauer über den Rücken. Sie nahm mir die Teller aus der Hand und stellte sie ab, dann zog sie mich ins Wohnzimmer.
    „Das braucht dich nicht zu erschrecken. Ihr jungen Leute glaubt immer, wir Alten wissen nicht, was Sex ist. Wie meinst du, habe ich sechs Kinder bekommen?“
    „Sechs?“ Bernhard hatte immer nur von vier Geschwistern gesprochen.
    „Bevor ich meinen Mann kennenlernte, hatte ich bereits ein Kind.“ Sie sagte das einfach so. „Und ich bin mit Bernhards Vater nicht mitgegangen, weil ich mir seine Briefmarkensammlung ansehen wollte, das darfst du mir glauben. Ich weiß sehr wohl um die Attraktion, die Sex hat.“
    „Noch ein Kind?“ war alles, was mir dazu einfiel.
    „Das ist jetzt nicht wichtig, und wenn du es vermeiden kannst, dann erzähle Bernhard nichts davon. Es würde ihn nur verunsichern. Laß dir gesagt sein, Sex ist es nicht wert, eine Beziehung dafür aufs Spiel zu setzen.“
    „Das solltest du mal deinem Sohn sagen.“
    „Das werde ich auch noch.“
    Ich konnte mir seine Reaktion darauf leibhaftig

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